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       # taz.de -- Das mühselige Comeback von Altona 93: Der andere andere Verein
       
       > Gegen die zweite Mannschaft des FC St. Pauli setzt es die nächste Pleite
       > für Altona 93. Der Klassenerhalt wird harte Arbeit. Und das schöne, alte
       > Stadion ist auch bald weg.
       
   IMG Bild: In der zweiten Halbzeit hingen die Altona-Fahnen schon auf Halbmast
       
       Hamburg taz | Neulich bei einem Mittagessen. Am Ende eines langen Gesprächs
       über G20 und die deutsche Linke fragt US-Generalkonsul Richard Yonneoka
       einen taz-Redakteur: „Und, muss ich fragen, zu welchem Fußballverein Sie
       gehen?“ Nein, muss er nicht. St. Pauli, natürlich. „Ich meinte nicht, ob
       St. Pauli oder HSV“, sagt Yonneoka, „sondern St. Pauli oder Altona.“
       
       Vor 20 Jahren wäre es noch nicht denkbar gewesen, dass ein US-Diplomat die
       Verhältnisse in der Fußball-Stadt Hamburg so wahrnimmt. „Traurig: Mit
       Altona 93 stirbt ein Stück Fußballgeschichte“, schluchzte seinerzeit die
       Bild-Zeitung. Hintergrund: Aus finanziellen Gründen übersprang der aus der
       damals drittklassigen Regionalliga abgestiegene AFC eine Liga nach unten
       und machte in der fünftklassigen Verbandsliga Hamburg weiter.
       
       ## Altona hat die drittmeisten Zuschauer der Liga
       
       Heute gehört Altona 93 zu den attraktivsten Mannschaften der, mittlerweile
       viertklassigen, Regionalliga – zumindest, wenn man die Publikumsresonanz
       als Maßstab nimmt. Die im Sommer aufgestiegene Mannschaft ist zwar
       Tabellenletzter, liegt mit einem Schnitt von fast 1.300 Fans in den
       Zuschauercharts aber auf Platz drei.
       
       Am Sonntag gab es einen Rekord, als 2.080 Zuschauer auf der
       Adolf-Jäger-Kampfbahn das Gastspiel des anderen für Hamburgs linke Szene
       relevanten Verein sehen wollten. Es war zwar nur die zweite Mannschaft des
       FC St. Pauli, die beim „Hood Battle“ – wie der AFC das Spiel auf Instagram
       angekündigt hatte – angetreten war, doch die war stark genug, um den AFC
       gleich mit 5:1 zu schlagen.
       
       Nach 15 Sekunden landete der erste Torschuss von St. Paulis Philipp
       Bräuning im Netz, vier Minuten später auch der zweite durch Ersin Zehir,
       und da war das Spiel so gut wie gelaufen. Kurz vor der Pause musste bei den
       während der gesamten Saison vom Verletzungspech gebeutelten Altonaern dann
       auch noch Kapitän Nick Brisevac vom Platz, den der AFC weitaus schwerer
       ersetzen kann als der FC Bayern Robert Lewandowski.
       
       Der Beziehungsstatus zwischen Altona und St. Pauli ist kompliziert. Zwar
       sind einst einige Fans vom Millerntor nach Altona gewechselt, aber viele
       AFC-Fans nervt es, dass ihr Verein in den Medien als eine Art anderes St.
       Pauli beschrieben wird, zur Beschreibung eigener Besonderheiten also ein
       anderer Verein als Bezugsgröße herhalten muss. Der Zuruf „Deine Mutter
       klaut bei kik!“, der am Sonntag St. Paulis Torwart Stefan Rakocevicvom
       sogenannten Zeckenhügel entgegenschlug, spiegelt das wider.
       
       Das große fankulturelle Kapital des AFC ist sein Stadion, das schönste
       Hamburgs. Die 1908 eröffnete Spielstätte hat sich den Charme der frühen
       Jahre bewahrt. Sogar die Umzäunung des Spielfelds, zu der der Verein vor
       der Saison vom DFB gezwungen wurde, hat sie relativ gut überstanden.
       
       ## Das schöne Stadion ist längst verscherbelt
       
       Das Ende dieser Geschichte ist aber absehbar. Bereits 2007 hat der Verein
       das Gelände für 11,25 Millionen Euro an zwei Wohnungsbauunternehmen
       verkauft, spätestens 2026 kommen die Bagger. Die Mitgliederversammlung
       hatte es damals in einem Anflug von Umnachtung versäumt, eine Indexklausel
       in den Vertrag einbauen zu lassen, die gewährleistet hätte, dass die bei
       Inkrafttreten des Vertrags fällige Summe wertmäßig dem bei
       Vertragsabschluss festgelegten Betrag entspricht. Die fixe Kaufsumme von
       11,25 Millionen verliert somit Jahr für Jahr an Wert.
       
       Die Band Liga der Gewöhnlichen Gentleman hat dem Stadion zwar schon einen
       Nachruf gewidmet: „Sie wurde abgerissen/ Weil die Menschen wohnen müssen“,
       heißt es in dem Song „Die Kampfbahn im Sonnenschein“ von 2016. Wo der
       Verein mittelfristig spielen wird, ist aber, nachdem sich viele Optionen
       bereits in Luft aufgelöst haben, weiterhin unklar. Derzeit ist ein Standort
       im Sportpark Diebsteich im Gespräch, der im Gebiet rund um den neuen
       Fernbahnhof Altona entstehen soll.
       
       Eine Vorentscheidung darüber, ob der Verein im kommenden Jahr sein
       125-jähriges Jubiläum in der Regionalliga feiern kann, fällt bereits am
       kommenden Mittwoch. Dann kreuzt Mitaufsteiger Eutin 08 auf, der nur elf
       Punkte auf dem Konto hat – aber immerhin zwei mehr als Altona. Die in
       solchen Fällen übliche Formulierung „Sechs-Punkte-Spiel“ klingt da beinahe
       untertrieben.
       
       12 Nov 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR René Martens
       
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