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       # taz.de -- Parteitag der Bremer Grünen: Ein Quötchen für das „grüne Blut“
       
       > Angesichts ihres miesen Wahlergebnisses haben die Bremer Grünen
       > beschlossen, ein klein bisschen jünger zu werden und ganz viele Vorhaben
       > umzusetzen.
       
   IMG Bild: Wirft seiner Partei ein „Umsetzungsdefizit“ vor: Der ex-Grünen-Fraktionsvorsitzende Matthias Güldner
       
       BREMEN taz | Nach ihrem dürftigen Abschneiden bei der Bundestagswahl haben
       die Bremer Grünen auf ihrem Parteitag am Wochenende etwas Selbstkritik
       beschlossen – mit großer Mehrheit, aber ohne große Debatte. Zugleich warben
       führende Grüne für ein Jamaika-Bündnis im Bund. Eine sehr engagierte
       Debatte und knappe Mehrheiten gab es dagegen in einer ganz anderen Frage:
       Wie kann die Partei jünger werden?
       
       Während die in den letzten beiden Jahren wiederbelebte Grüne Jugend fortan
       jeden dritten Listenplatz für Wahlen mit einem unter 28-Jährigen besetzen
       wollte, verwarfen die Altvorderen diese Idee zumeist als „zu radikal“. Die
       einen forderten deshalb eine Quote für „Neue“, also für KandidatInnen ohne
       Erfahrungen mit Amt und Mandat.
       
       Andere, wie der grüne Landesvorsitzende Ralph Saxe, machten sich für ein
       Quötchen stark: Nur auf den – in der Regel sicheren – Plätzen 5 und 6 der
       Liste für die Bürgerschaftswahl sollen künftig auf jeden Fall unter
       30-Jährige kandidieren. Am Ende setzte Saxe sich mit diesem Vorschlag ganz
       knapp durch. Und die Grüne Jugend war dennoch zufrieden mit ihrem
       Teil-Erfolg. Denn nach der letzten Landtagswahl war der 37-jährige Björn
       Fecker der jüngste Grünen-Parlamentarier.
       
       ## „Kein gutes Zeichen“
       
       Saxe, der seit 2011 im Landtag sitzt, will am 2. Dezember erneut als
       Landessprecher der Grünen gewählt werden. Er „klebe“ nicht an seinem Amt,
       das er seit vier Jahren innehat, „aber ich brenne immer noch“, so Saxe.
       Über die Trennung von Amt und Mandat verlor der 58-Jährige indes kein Wort.
       
       Dabei hatte seine Co-Vorsitzende, die in den Stadtrat nachgerückte Kai
       Wargalla, mit genau dieser Trennung jüngst ihren Rückzug von der
       Parteispitze begründet. Er „bedauere zutiefst“, dass Wargalla nicht erneut
       kandidiere, sagte Saxe, „das ist kein gutes Zeichen“. Wer ihre Nachfolgerin
       wird, ist noch unklar. „Das grüne Blut ist weniger geworden und es fließt
       langsamer“, so Saxe.
       
       Bei der Bundestagswahl schnitten die Bremer Grünen nicht nur schlechter ab
       als 2013, während andere mitregierende grüne Landesverbände zulegten, etwa
       der in Schleswig-Holstein. Die Partei verlor, besonders schmerzlich, auch
       in ihren Hochburgen, besonders im Viertel – an die Linkspartei. Die
       profitiere von „innergrünen Konflikten“, so Bau- und Umweltsenator Joachim
       Lohse. Aufwärts geht es für Grüne dagegen dort, wo die Besserverdienenden
       wohnen: in Schwachhausen, Borgfeld und Oberneuland.
       
       ## Trotz aller Zugeständnisse
       
       Zusammen genommen kam Rot-Grün bei der Bundestagswahl in Bremen aber nur
       auf 37 Prozent der Stimmen. Zugleich machten sich sowohl die grüne
       Bundestagsabgeordnete Kirsten Kappert-Gonther als auch die
       EU-Parlamentarierin Helga Trüpel für eine Jamaika-Koalition im Bundestag
       stark, trotz aller Zugeständnisse etwa beim Klimaschutz. In Bremen, so
       wurde nun am Samstag mehrheitlich beschlossen, „müssen wir selbstkritisch
       feststellen“, dass die Grünen „gegenwärtig öffentlich zu wenig als die
       gestaltende politische Kraft wahrgenommen werden konnten“. Deshalb müssen,
       so der Beschluss, die drei grünen SenatorInnen im Frühjahr ihre eigene
       Arbeit vor der Basis „kritisch würdigen“. Ex-Fraktionschef Matthias Güldner
       attestierte seiner Partei in diesem Zusammenhang „kein Erkenntnis-, sondern
       ein Umsetzungsdefizit“.
       
       ## Aktionsplan für mehr Grün
       
       Deshalb soll jetzt bis zur Bürgerschaftswahl 2019 noch ganz viel passieren:
       Eltern- und Wohngeld sollen schneller ausgezahlt, Alleinerziehende,
       LehrerInnen und Geflüchtete besser unterstützt werden. Der Um- und Ausbau
       der Schulen und Kindergärten soll schneller vorangehen, ein Aktionsplan für
       mehr Grün und Baumschutz erarbeitet und die Klimabilanz verbessert werden.
       Außerdem sollen alle Schulen, Kitas, Kliniken und Seniorenheime zu
       Tempo-30-Zonen werden und die Eigentumsverhältnisse bei den
       Wohnungsbaukonzernen Gewoba und Brebau neu sortiert, damit dort keine
       Finanzinvestoren zum Zuge kommen. Ach ja, und Aktionspläne zur
       Stadtentwicklung und zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention
       braucht es auch noch, unter anderem.
       
       ## „Zucker“ ins Papageienhaus
       
       Das alles wollen die Grünen, die in der dritten Legislaturperiode in Folge
       mitregieren, im Grunde schon lange – aber vieles, so Güldner, entwickle
       sich „unglaublich stockend“, etwa der Ausbau der Ganztagsschulen. Vor Ort
       beschlossen haben die Grünen dann erst mal, dass die Kulturschaffenden des
       Vereins „Zucker“ und „Zuckerwerk“ ins Papageienhaus am Güterbahnhof
       einziehen sollen, das seit zweieinhalb Jahren leer steht – aber das will
       die SPD nicht.
       
       Nicht die Grünen, sondern die Linke werde als „politisch aktive
       Gestalterin“ wahrgenommen, schrieb Güldner jüngst in einem Papier – obwohl
       die in der Opposition ist. „Es bedarf deutlicher und schneller nach innen
       wirkenden und wahrnehmbarer Entscheidungen mit unmittelbaren Konsequenzen“,
       so Güldner. Außerdem, so Trüpel, müssten die Grünen auch mal ganz klar
       sagen: „Hartz IV war ein Fehler.“ Dafür bekam sie viel Beifall an der
       Basis.
       
       Für etwas Aufregung am Rande sorgte die EU-Parlamentarierin Trüpel indes,
       als sie vor einem Scheitern der schwarz-gelb-grünen Verhandlungen warnte –
       mit dem Hinweis, dass Angela Merkel dann zurücktreten müsse und ihr
       womöglich eine Große Koalition und der „rechte, schwule Jens Spahn“ folge,
       also der talkshowaffine CDU-Finanzstaatssekretär, ein Kritiker von Merkels
       Flüchtlingspolitik. Für diese homophob anmutende Äußerung entschuldigte
       sich Trüpel hinterher mehrfach öffentlich. „Spahn ist offen schwul und das
       ist gut so, und er macht rechte Gesellschaftspolitik, was ich falsch
       finde“, so Trüpel, die der Homophobie auch sonst unverdächtig ist.
       
       ## Trüpel zieht sich zurück
       
       Nach dem Ende des Parteitags erklärte sie in einem Brief an die eigene
       Partei, ihre Mitgliedschaft bei den Grünen „ruhen zu lassen, bis wir unsere
       Konflikte geklärt haben“. Gemeint war damit aber nicht nur die
       Auseinandersetzung um ihre missverständliche Äußerung, sondern: „Mein Level
       an Kränkungen durch wenige bei den Bremer Grünen, das ich bereit bin
       auszuhalten, ist jetzt überschritten“, schreibt Trüpel mit Verweis auf
       mehrere Vorfälle aus der jüngeren Vergangenheit.
       
       Aus der aktiven Politik zieht sich die 59-jährige Ex-Senatorin ohnehin 2019
       zurück – Helga Trüpel kündigte vor Kurzem an, künftig nicht mehr für das
       Europäische Parlament zu kandidieren.
       
       12 Nov 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jan Zier
       
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