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       # taz.de -- Belästigungsvorwürfe an Kevin Spacey: Was ein Hashtag alles kann
       
       > Mehr Männer behaupten, dass Kevin Spacey sie sexuell belästigt habe.
       > Netflix stoppt den Dreh von „House of Cards“. Pfui, soziale Netzwerke!
       
   IMG Bild: Gut, dass Netflix „House of Cards“ stoppt. Alles andere wäre auch schwer zu vermarkten
       
       Der Filmemacher Tony Montana sagt, Kevin Spacy habe ihn 2003 in einer
       Kneipe unerlaubt an den Penis gefasst. Ein anderer Mann hat anonym der BBC
       erzählt, Spacey habe in den 80er Jahren bei ihm übernachtet. Obwohl sie in
       getrennten Betten geschlafen hätten, habe Spacey am Morgen halbnackt auf
       ihm gelegen. Ein Barkeeper aus West Sussex hat der Sun erzählt, Spacey habe
       ihm 2010 ungefragt seinen Penis gezeigt und versucht, ihn damit zu
       berühren.
       
       Später gab er ihm eine 5.000-Pfund-Uhr, wohl auch als Schweigegeschenk. Der
       mexikanische Schauspieler Roberto Cavazos schreibt auf Facebook, Spacey
       habe während dessen Zeit als Direktor des Londoner Old Vic Theatre ihn und
       andere Männer sexuell belästigt. Das Theater, dem Spacey von 2004 bis 2015
       vorstand, will nun die Vorwürfe untersuchen.
       
       Das ist nur ein Teil der neuesten, noch unbestätigten Vorwürfe gegen den
       US-Schauspieler Kevin Spacey. Er selbst hat sich bislang nicht geäußert.
       Netflix hat aber [1][vorsorglich die Dreharbeiten zur sechsten und letzten
       Staffel der Politserie „House of Cards“ gestoppt]. Man wolle „die aktuelle
       Situation bewerten und sich mit etwaigen Sorgen der Crew und der
       Schauspieler befassen“, teilten Netflix und die Produktionsfirma mit.
       
       Entschieden hatten sie das als Reaktion auf den US-Schauspieler Anthony
       Rapp, der die Debatte über Spacey am Sonntag losgetreten hatte. [2][In
       einem Interview sagte er, Spacey habe ihn auf einer Party im Jahr 1986
       ungefragt aufs Bett gehoben]. Spacey war 26, Rapp 14 Jahre alt. Spacey
       schrieb, er könne sich nicht erinnern, wolle sich aber entschuldigen – und
       fachte damit die Debatte über Sexismus in Hollywood erneut an: Kevin
       Spacey, ein schwuler Harvey Weinstein? Muss aus #MeToo nun #HimToo werden?
       Wieso haben alle geschwiegen?
       
       ## Nicht mit Weinstein vergleichbar – fast
       
       Zunächst einmal: Die Vorwürfe gegen Spacey sind nicht mit denen gegen
       Weinstein vergleichbar. Sie sind weder so gut bewiesen noch so zahlreich.
       Sechzig Frauen haben ausgesagt, von Weinstein belästigt worden zu sein. Es
       geht dabei um Grapschen und Vergewaltigung, Weinstein habe von
       Schauspielerinnen Massagen und Sex verlangt, gedroht, sie nicht in seinen
       Filmen zu besetzen und deren Karrieren zu beenden. Von so massiver Gewalt
       und von solchem Unterdrucksetzen ist über Spacey nichts bekannt.
       
       Worin sich die Vorwürfe gegen Weinstein und Spacey aber gleichen: Sie
       zeigen, wie allgegenwärtig sexuelle Gewalt ist. Diese hat nichts mit
       sexueller Orientierung, Attraktivität der Opfer, mit Verlangen oder
       Leidenschaft zu tun, aber viel mit Erniedrigung, Macht und Kontrolle. Und
       so erklärt sich häufig, warum Opfer (erst einmal) schweigen. Dass sich nun
       so viele (vermeintliche) Opfer doch zu Wort melden, ist auch ein Verdienst
       der sozialen Medien.
       
       Es ist eine alte Debatte, ob soziale Kämpfe mit modernen Mitteln
       ausgetragen werden dürfen. Ob sich beispielsweise der Feminismus bei der
       Popkultur bedienen sollte. Was bringen Hashtagkampagnen wie #aufschrei oder
       #MeToo? Gewinnt oder verliert die Frauenbewegung, wenn die US-Popsängerin
       Beyoncé sich vor dem glitzernden Schriftzug „Feminist“ präsentiert? Die
       Frauenzeitschrift Emma beispielsweise hält nichts davon: der kommerzielle
       Ausverkauf einer großen Idee.
       
       ## #MeToo hält sich erstaunlich lang
       
       #MeToo beweist das Gegenteil. Für eine Kampagne in den sozialen Medien hält
       sie sich erstaunlich lang. Die Vorwürfe gegen Harvey Weinstein wurden vor
       gut vier Wochen öffentlich, daraufhin entstand #MeToo. Vor allem Frauen
       beschrieben bei Facebook und Twitter Situationen, in denen sie angefasst,
       bedrängt, belästigt, vergewaltigt wurden. Anthony Rapp sagt, das habe ihn
       ermutigt.
       
       Und offenbar nicht nur ihn: Es folgte eine breite Diskussion – allerdings
       eine, die zerfaserte. Denn das wiederum ist der Nachteil solcher Debatten:
       Niemand moderiert sie. So flogen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz mit
       Vergewaltigung, Machtmissbrauch und Disko-Grapschern in einen Topf. Hilft
       also doch niemandem konkret, könnte man jetzt sagen.
       
       Aber dafür hat sie reale Konsequenzen: Das Europaparlament debattierte,
       alle Medien berichteten, der Verlag Condé Nast beendete die Zusammenarbeit
       mit dem Modefotografen Terry Richardson, der nach Weinstein in den Fokus
       geriet. Insofern ist es löblich, dass Netflix die Produktion von „House of
       Cards“ erst einmal stoppt. Alles andere wäre auch schwer zu vermarkten.
       
       1 Nov 2017
       
       ## LINKS
       
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