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       # taz.de -- Pegida-Film beim Dok Leipzig: Die netten Dresdener Demonstranten
       
       > Das Dokumentarfilmfestival in Leipzig zeigt einen Film über Pegida – und
       > löst damit eine Kontroverse aus. Die Festivalleitung hat sich vorab
       > distanziert.
       
   IMG Bild: Fühlen sie sich jetzt gehört? Pegida-Anhänger*innen kommen in „Montags in Dresden“ unkommentiert zu Wort
       
       LEIPZIG taz | Die Osthalle des Leipziger Hauptbahnhofs war bis in den
       letzten Winkel gefüllt am Donnerstagabend. Zwischen den Zuschauer*innen:
       viel Security und vereinzelt Polizisten. Das Dokumentarfilmfestival Dok
       Leipzig zeigte einen Film von Regisseurin Sabine Michel – und hatte damit
       schon im Vorfeld für eine Kontroverse gesorgt. Festivalleiterin Leena
       Pasanen sah sich wenige Stunden vor der Vorstellung sogar genötigt, zu
       betonen, dass sich das Festival „von jeglichen Aktionen von Pegida“
       distanziere.
       
       Sabine Michel hatte für ihren [1][Dokumentarfilm „Montags in Dresden“] drei
       Pegida-Anhänger*innen über ein Jahr lang begleitet. Darunter auch René
       Jahn, ehemaliges Mitglied im Pegida-Organisationsteam. Jahn hatte [2][bei
       Facebook dazu aufgerufen], nach Leipzig zu kommen und den seiner Aussage
       nach für den Publikumspreis nominierten Film zu unterstützen.
       
       Befürchtungen waren aufgekommen, dass Pegida-Anhänger*innen die kostenlose
       Vorstellung des Films, der in Leipzig Premiere feierte, kapern wollten. Die
       Festivalleitung hatte daraufhin erhöhte Sicherheitsvorkehrungen
       angekündigt. Letztlich waren die Pegida-Anhänger*innen allerdings klar in
       der Minderheit.
       
       Doch nicht nur die Ankündigung der Pegida-Anhänger*innen hatte für Wirbel
       gesorgt, auch der Film selbst steht in der Kritik. Der Vorwurf: zu
       affirmativ und nicht einordnend. Tatsächlich setzt die Regisseurin in ihrem
       Film rein auf deskriptive Erzählelemente. Einordnungen finden kaum statt.
       
       Neben René Jahn werden noch zwei weitere Pegida-Anhänger*innen porträtiert:
       Zum einen Sabine Ban, alleinerziehende Mutter, die in ihrem Keller
       Lebensmittel für den nach ihrer Meinung drohenden Bürgerkrieg bunkert. Und
       dann ist da noch Daniel Heimann, der als Unternehmer vorgestellt wird und
       mit Pro Patria Pirna „verstärkt konservative und christliche Werte in den
       öffentlichen Raum tragen will“, wie es heißt. Kurz darauf ist er allerdings
       mit Götz Kubitschek zu sehen, Vordenker der Neuen Rechten und bestens
       vernetzt mit Aktivisten von Pegida und Identitärer Bewegung.
       
       ## Liebesgeschichte unter Deutschlandfahnen
       
       Im Film können alle drei Protagonisten, René Jahn, Sabine Ban und Daniel
       Heimann ausführlich ihre Sicht auf die Welt schildern. Kritische Nachfragen
       oder Einordnungen? Finden kaum statt. Das wird besonders deutlich, als
       Heimann von Heimat als „mystischen, schönen Begriff“ schwadroniert und dazu
       Bilder von ihm und seinen zwei Hunden vor romantischer Winterkulisse zu
       sehen sind.
       
       Besonders absurd wird es, als René Jahns Lebenspartnerin – nach eigener
       Aussage eine lange Freundin von Lutz Bachmann – erzählt, wie sich das
       Pärchen 2014 bei Pegida kennengelernt hat. Eine romantische
       Liebesgeschichte unter Deutschlandfahnen.
       
       „Montags in Dresden“ ist laut Dok-Leipzig-Programm auch für den
       Dokumentarfilmpreis des Goethe-Instituts und [3][den Filmpreis Leipziger
       Ring nominiert]. Die Stiftung Friedliche Revolution vergibt [4][den mit
       2.500 Euro dotierten Filmpreis Leipziger Ring] an einen „künstlerischen
       Dokumentarfilm, der das bürgerschaftliche Engagement von Menschen in aller
       Welt und ihr gewaltloses Ringen um Demokratie, Menschenrechte und die
       Partizipation an gesellschaftlichen Prozessen beispielhaft dokumentiert“.
       Die Nominierung des Pegida-Films ist vor diesem Hintergrund mehr als
       skurril.
       
       Am Donnerstagabend wurde nach dem Film noch lange und ausführlich
       diskutiert im Leipziger Bahnhof. Mit dabei war auch René Jahn selber („Ich
       bin mit dem Film, mit ganz geringen Abstrichen, sehr zufrieden“).
       Regisseurin Sabine Michel, die in Dresden geboren wurde und nach dem Abitur
       die Stadt verließ, sieht ihren Film als Beitrag zur „Streitkultur“ und
       forderte dazu auf, wieder mehr miteinander zu kommunizieren. Sie selber
       teile die Meinung von Pegida nicht, kann dafür aber erstaunlich viel
       Verständnis für die rechte Bewegung aufbringen. Dort würden schließlich
       Fragen diskutiert, „die uns alle bewegen, Globalisierung, Flüchtlinge, arm,
       reich“, sagt sie.
       
       Doch Stimmen gegen Pegida kommen in ihrem Film, den sie als „nicht
       journalistisch“ bezeichnet, keine zu Wort. Dafür immerhin auf der
       anschließenden Diskussion: Eine Zuschauerin etwa erzählt unter Tränen, dass
       ihre türkischen Eltern als Gastarbeiter nach Deutschland gekommen sind und
       sie sich persönlich angegriffen fühle von Pegida. Regisseurin Michel kann
       das nicht so recht verstehen. Sie fragt kurz darauf stattdessen: „Wie viele
       Führungskräfte kommen aus dem Osten?“ Dokumentarische Distanz sieht anders
       aus.
       
       3 Nov 2017
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://filmfinder.dok-leipzig.de/de/film/?ID=18768&title=Montags+in+Dresden
   DIR [2] https://www.facebook.com/rene.jahn.52/posts/1688499357874993?pnref=story
   DIR [3] http://www.dok-leipzig.de/festival/festival-news
   DIR [4] https://www.leipzig.de/news/news/stiftung-friedliche-revolution-vergibt-2017-wieder-filmpreis-leipziger-ring/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Lucas Grothe
       
       ## TAGS
       
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