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       # taz.de -- „Sea Watch“-Kapitänin über ihren Einsatz: „Die Blockade der EU wird wanken“
       
       > Trotz Drohungen von libyischer Seite lassen sich Seenotretter nicht
       > einschüchtern. Kapitänin Pia Klemp sticht jetzt mit der „Sea Watch III“
       > in See.
       
   IMG Bild: Pia Klemp rettete erst Wale, jetzt Menschen
       
       Libyen hat [1][NGOs wie Sea Watch gedroht], falls sie sich in die Zone
       begeben, in denen die libysche Küstenwache selbst die Rettungen
       koordinieren will. Sie fahren jetzt trotzdem dorthin? 
       
       Wir laufen gerade aus dem Hafen von Malta aus, wir sehen die Lichter noch.
       In den nächsten 24 Stunden werden wir das Einsatzgebiet erreichen. Soweit
       wir wissen, soll die Rettungszone, die Libyen abdecken will, ein Gebiet von
       bis zu 73 Seemeilen vor der Küste umfassen. Da fahren wir auf jeden Fall
       rein. Libyen hat da überhaupt keine Handhabe. Es sind internationale
       Gewässer, die für alle frei zugänglich sind und damit natürlich auch für
       uns. Wir werden bis an die 24-Meilen-Zone vor Libyen fahren.
       
       Es gab in der Vergangenheit mehrfach Konfrontationen mit der [2][libyschen
       Küstenwache]. Teils hat diese geschossen, als sie den Seenotrettern
       begegnet ist. Wie wollen sie damit umgehen? 
       
       Die libysche Küstenwache ist leider völlig unberechenbar. Genau genommen
       ist es nur eine Miliz. Das macht es für uns sehr schwer, es gibt für uns
       kein erkennbares Schema ihres Verhaltens. Wir werden mit Vorsicht und
       Augenmaß unseren Einsatz durchführen und vermeiden, mit denen in Kontakt zu
       kommen.
       
       Gab es dazu Gespräche mit der italienischen Rettungsleitstelle MRCC in Rom? 
       
       Nein. Es gibt keine Absprache mit der MRCC. Man ist da relativ allein
       gelassen.
       
       Im Sommer waren noch zehn NGOs zur Seenotrettung vor Libyen unterwegs. Wie
       viele sind nach den Drohungen der Libyer und [3][den Ermittlungen der
       Italiener] noch vor Ort? 
       
       Sechs, inklusive uns: Sea Eye, SOS Mediterannée gemeinsam mit Ärzte ohne
       Grenzen, Mission Lifeline, Proactiva Open Arms und wir.
       
       Es ist die erste Sea Watch Mission mit einem neuen Schiff. Was ist anders? 
       
       Die Sea Watch III ist 20 Meter länger und deutlich breiter als die Sea
       Watch II. Wir können viel mehr Menschen bei uns aufnehmen und deren
       Sicherheit gewährleisten. Auch die Crew ist größer: 22
       Besatzungsmitglieder, viele Deutsche, aber auch Freiwillige aus
       Großbritannien, Österreich, den Niederlanden und Italien.
       
       Bevor Sie als Kapitänin zur Sea Watch kamen, waren Sie bei der
       Tierrechts-Organisation Sea Shepherd. Was haben Sie da gemacht? 
       
       Ich war sechs Jahre dort, zunächst als Ship-Manager, später auch auf der
       Brücke. Ich war bei Missionen im Südpolarmeer gegen Walfang dabei, im
       Südpazifik gegen illegalen Haifang und gegen Fischfang in einem
       italienischen Meeresschutzgebiet bei Sizilien.
       
       Kürzlich waren Sie bei einer Talkshow und gelobten, sich für immer für den
       Schutz der Meere einzusetzen. Jetzt haben Sie das Gebiet gewechselt. Warum? 
       
       Für mich ist das gar nicht so sehr ein Fachwechsel. Ich möchte mich gegen
       alles stellen, was jemanden oder etwas an seinen Rechten beraubt und diese
       Rechte unterdrückt, ob es Tiere oder Menschen sind. Das eine Unrecht macht
       das andere nicht kleiner. Ich habe mich letztes Jahr bei der Sea Watch über
       deren Online-Formular beworben und wurde genommen.
       
       Wie kamen Sie zur Schifffahrt? 
       
       Ich habe auf einem Handelsschiff gelernt, ein Kapitänspatent gemacht, dazu
       einen kommerziellen Yachtenschein. Das war vor sechs Jahren. Danach bin ich
       direkt zu Sea Shepherd.
       
       Die Lage im zentralen Mittelmeer war zuletzt etwas ruhiger als im Sommer.
       Was für eine Situation erwarten Sie während ihres Einsatzes in den nächsten
       Wochen? 
       
       Es wurde den Menschen immer schwerer gemacht, Libyen zu verlassen. Es sind
       sehr viele Gelder geflossen, damit die Küstenwache Pushbacks macht, die
       Menschen zurückholt und vom Asylantrag abhält. Allerdings ist die Lage in
       Libyen sehr instabil. Wir gehen davon aus, dass die Blockade der Route, die
       die EU unter großem Kraft- und Geldeinsatz erreicht hat, wieder ins Wanken
       gerät.
       
       3 Nov 2017
       
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