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       # taz.de -- Arte-Reportage über Terrorrecherchen: Privatdetektiv gegen den IS
       
       > „Nidals Liste“ zeigt, wie ein selbsternannter Terroristenjäger in Europa
       > nach Schläfern sucht. Nur: Kann man das ernstnehmen?
       
   IMG Bild: Ein Mann, eine Mission: Nidal Kouba
       
       Ein Defender und ein Range Rover fahren im geschlossenen Konvoi durch …
       nein, nicht durch die syrische Wüste, sondern durch eine südwestdeutsche
       Weinberglandschaft. Das ändert nichts daran, dass Nidal Kouba sich im
       Einsatz wähnt. Wenn es die Situation erfordert, legt er auch seine Uniform
       an, einschließlich der Pistole im Schulterholster.
       
       Der Deutschsyrer war Brigadeführer in der Freien Syrischen Armee (FSA). Er
       hat in Syrien erst gegen Assad und dann gegen den sogenannten Islamischen
       Staat (IS) gekämpft, jetzt setzt er seinen Kampf gegen die Terrormiliz von
       Deutschland aus fort. Spätestens bei der Szene oben fragt man sich: Ist
       dieser Typ ernst zu nehmen? Will der Film ihn überhaupt ernst nehmen?
       
       Nidal Kouba ermittelt privat, er selbst ist sein Auftraggeber. Er hat eine
       Liste, die er abarbeitet. Eine Liste mit den Namen von FSA-Kämpfern in
       Europa. Kouba vermutet unter ihnen den ein oder anderen IS-Überläufer.
       
       Er besucht sie, in Deutschland, Schweden, Belgien, Griechenland, zeichnet
       die Gespräche mit versteckter Kamera auf – wer könnte ein Überläufer, ein
       vom IS als vermeintlicher Flüchtling eingeschleuster Schläfer sein? Seine
       Berichte schickt er an deutsche Geheimdienste und Polizeibehörden.
       
       ## „Täter als Flüchtlinge getarnt“
       
       Nidal Koubas Tun liegt irgendwo zwischen Amtsanmaßung und
       Undercover-Privatermittlung, Denunziation und Bürgerengagement. Die
       deutschen Geheimdienste und Polizeibehörden nehmen den Ermittler im eigen
       Auftrag nicht ernst, heißt es in dem Film von Ahmet Senyurt und Ulrich
       Hagmann. Die beiden Fernsehjournalisten hingegen wollen ihn sehr wohl ernst
       nehmen.
       
       Sie lassen so etwa den aus dem Irak stammenden Musiker Mustafa Al-Ammar
       erzählen, wie er als Sprachmittler beim Bundesamt für Migration und
       Flüchtlinge ebenfalls auf Menschen traf, die er für gefährlich hielt. Wie
       er darüber berichten wollte – und wie man ihm dann mit Begriffen wie
       Datenschutz und Schweigepflicht kam.
       
       „Es gibt keine Verbindung, keine einzige nachweisbare Verbindung zwischen
       dem Terrorismus und den Flüchtlingen“, sagt zwischendurch plötzlich
       Justizminister Heiko Maas in einem Archiveinspieler. Und ein französischer
       Professor von der Militärhochschule Saint-Cyr darf widersprechen: „Es haben
       sich natürlich Terroristen unter den Flüchtlingen versteckt.“ Die
       Filmautoren zeigen Bilder des Anschlags auf das Pariser Bataclan. Sie
       sagen: „Einige der Täter waren als Flüchtlinge getarnt über Deutschland
       nach Frankreich gekommen.“
       
       Hagmann und Senyurt – der auch schon für die taz über Islamismus
       geschrieben hat – nutzen hier die schillernde Figur des Nidal Kouba als
       erzählerischen Rahmen, in dem sie die vergangenen zwei Jahre
       rekapitulieren. Während Kouba auf seiner Mission durch Europa fährt,
       sprechen die Autoren mit den Präsidenten von Bundesverfassungsschutz und
       BKA, der Präsident des LKA Nordrhein-Westfalen erläutert an einem
       sorgfältig ausgeführten, komplexen Schaubild die Bewegungen des Tunesiers
       Belgacem in Europa, der in Paris bei dem Angriff auf Polizisten erschossen
       wurde. Wie ein Pitch sieht das aus, eine Verkaufsveranstaltung der eigenen
       Hilflosigkeit.
       
       Der Geländewagen-Konvoi macht halt an einem Flüchtlingsheim am Bodensee.
       Nidal Kouba spricht mit Tarek, Nummer 877 auf seiner Liste: „Ich bin nicht
       gekommen, um gedemütigt zu werden. Sie zwingen mich dazu, zurückzuschlagen
       …“ Das Gefühl der Demütigung scheint der hier gezeigte Mann mit den in
       Europa aufgewachsenen Kleinkriminellen gemein zu haben, wenn sie plötzlich
       ihre Berufung zum Gotteskrieger empfinden.
       
       Wie aber findet man einen Schläfer, der zum Zeitpunkt seiner Einreise als
       Flüchtling noch gar nicht weiß, dass er ein Schläfer ist?
       
       Am Ende muss der Zuschauer entscheiden, ob er in Kouba nun einen Spinner
       sieht, oder einen Helden. Inzwischen tritt Kouba jedenfalls regelmäßig vor
       Gericht als Zeuge auf.
       
       Nur dürfte seine Tarnung spätestens nach der heutigen Ausstrahlung
       aufgeflogen sein. Oder gucken Terroristen kein Arte?
       
       7 Nov 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jens Müller
       
       ## TAGS
       
   DIR Arte
   DIR Detektiv
   DIR Schwerpunkt Islamistischer Terror
   DIR Schwerpunkt Iran
   DIR Anis Amri
       
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