# taz.de -- Partei Sinn Féin in Irland: Karten neu gemischt
> Der Chef der Sinn-Fein-Partei zieht sich 2018 vom Parteivorsitz zurück.
> Seine Nachfolge tritt wahrscheinlich Mary Lou McDonald an.
IMG Bild: McDonald (Mitte) gibt sich Mühe: Bei der Beerdigung des IRA-Chefs Joe Cahill trug sie den Sarg mit
Sie muss natürlich erst von den Parteimitgliedern gewählt werden. Doch Mary
Lou McDonald gilt als klare Favoritin für die Nachfolge von [1][Gerry Adams
als Präsident von Sinn Féin („Wir selbst“)]. Das ist die einzige Partei,
die in beiden Teilen Irlands operiert, früher war sie der politische Flügel
der Irisch-Republikanischen Armee (IRA).
Die 48-Jährige Dublinerin McDonald ging auf die katholische Klosterschule
Notre Dame des Missions. Danach studierte sie englische Literatur und
europäische Integration am Trinity College Dublin und an der Universität
Limerick.
Mit 28 Jahren trat sie in die konservative Partei Fianna Fáil („Soldaten
des Schicksals“) ein, die Irland jahrzehntelang wie ein
Familienunternehmen regiert hatte. Ein Jahr später trat sie wieder aus,
weil ihr Fianna Fáil „nicht links genug“ war.
Nach zwei vergeblichen Anläufen in den Jahren 2002 und 2007 wurde sie
schließlich 2011 im Wahlkreis Dublin Central ins Parlament gewählt. Bereits
2004 war sie die erste Sinn-Féin-Kandidatin, die ins Europäische Parlament
gewählt wurde. Fünf Jahre später musste sie den Sitz an Joe Higgins von der
Socialist Party abgeben.
Die beiden konservativen Parteien Fianna Fáil und Fine Gael, die sich in
ihrer politischen und ökonomischen Ausrichtung kaum unterscheiden, liegen
bei Umfragen bei rund 30 Prozent. Eine große Koalition zwischen diesen
Parteien kommt aus historischen Gründen, die im Bürgerkrieg vor fast
hundert Jahren begründet sind, nicht infrage. Doch allein regieren kann auf
Dauer keine der beiden politischen Gruppierungen.
## Balanceakt für die Politikerin
Sinn Féin liegt derzeit bei 20 Prozent. Mit 23 Abgeordneten ist sie die
drittstärkste Kraft und wäre ein natürlicher Koalitionspartner für Fianna
Fáil. Doch diese Partei will mit Sinn Féin nichts zu tun haben, solange die
alte Garde mit Verbindungen zur IRA an der Parteispitze steht.
Mit McDonald als Parteipräsidentin sähe das anders aus. Es ist ein
Balanceakt für die Politikerin: Einerseits hat sie ihre Karriere weit genug
weg von der IRA geführt, um neue Wählerschichten zu erschließen.
Andererseits darf sie die traditionelle Sinn-Féin-Klientel nicht
verprellen. Wie weit sie deshalb zu gehen bereit ist, zeigte sich, als sie
eine Rede bei der Gedenkfeier für Seán Russell hielt, einen IRA-Aktivisten,
der in den vierziger Jahren mit den Nazis kollaboriert hatte. Außerdem trug
sie bei der Beerdigung des IRA-Chefs Joe Cahill den Sarg mit.
Bisher wollte Sinn Féin nur dann in eine Koalition gehen, wenn sie
stärkste Partei wäre. McDonald hat jedoch auf dem Parteitag am Freitag
durchgesetzt, dass die Partei auch als Juniorpartner in eine Regierung
eintreten könnte. Sinn Féin „wächst, sie verändert und entwickelt sich“,
sagte sie.
Man wolle aber nicht um jeden Preis in die Regierung, fügte sie hinzu. Es
müsse auch gewährleistet sein, dass man seine Wahlversprechen einhalten
könne. Als Warnung dient die Erfahrung der Grünen und der Labour Party, die
als Juniorpartner untergebuttert worden waren und nach den nächsten Wahlen
in der Versenkung verschwanden.
McDonald ist eine ausgezeichnete Rednerin, sie versteht etwas von
Wirtschaftspolitik, und sie ist durchsetzungsfähig. Wahrscheinlich wird
Irland nach den nächsten Wahlen von einer Koalition aus Fianna Fáil und
Sinn Féin regiert – mit Mary Lou McDonald als Vizepremierministerin.
19 Nov 2017
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## AUTOREN
DIR Ralf Sotscheck
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