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       # taz.de -- Französische Talente in Deutschland: Mehr Égalité in der Bundesliga
       
       > Die Fußball-Bundesliga wird zum Durchlauferhitzer: Warum Deutschland für
       > Nachwuchsspieler aus Frankreich so attraktiv ist.
       
   IMG Bild: Abdou Diallo (l.) findet gut, dass in der Bundesliga Trainer wie Sandro Schwarz (r.) mit Spielern reden
       
       Mainz taz | Abdou Diallo wird an diesem Dienstag die
       Champions-League-Partie zwischen der AS Monaco und RB Leipzig vor dem
       Fernseher in Deutschland beobachten. Im Sommer wechselte der technisch
       feine Innenverteidiger vom französischen Meister Monaco zum FSV Mainz 05.
       Dieser Abdou Diallo, 21 Jahre alt, ist aber nicht irgendwer, er ist Kapitän
       der U21-Auswahl Frankreichs. Trotz einiger Einsätze im Meisterjahr für die
       Südfranzosen, unter anderem in der Champions League, wechselte der in Tours
       geborene Linksfuß mit senegalesischen Wurzeln wie so viele andere Talente
       aus der Ligue 1 in die Bundesliga.
       
       In Dayot Upamecano, 19, Ibrahima Konate, 18, und Jean-Kevin Augustin
       verpflichtete Monacos heutiger Gegner RB Leipzig sogar drei Großtalente von
       diesseits des Rheins, auch Amine Harit, 20, (Schalke), Mickael Cuiscane,
       18, (Gladbach) und Dan-Axel Zagadou, 18, (Dortmund) wagten den Schritt in
       die Bundesliga. Der auch erst 23 Jahre junge Corentin Tolisso war mit 41,5
       Millionen Euro Ablösesumme, die der FC Bayern an Olympique Lyon überwies,
       der teuerste Einkauf der Bundesliga-Geschichte. Insgesamt 19 französische
       Profis kamen in dieser Saison bislang bei den Bundesligisten zum Einsatz.
       Sie alle träumen von einer Entwicklung, wie sie Ousmane Dembele, 20, bei
       Borussia Dortmund gemacht hat.
       
       Nach nur einem Jahr in der Bundesliga wechselte der Flügelflitzer zum FC
       Barcelona. Für 105 Millionen Euro plus Zusatzprämien! Ins Ruhrgebiet
       gekommen war er für 15 Millionen Euro von Stade Rennes. Viele Talente
       zwischen 18 und 23 Jahren aus den Jugendakademien Frankreichs sind ein
       Versprechen auf eine gute sportliche Zukunft, auch deshalb sind sie bei
       Managern der Bundesliga immer begehrter.
       
       Benjamin Pavard, 21, kam in der vergangenen Saison als unbekanntes Talent
       aus Lille zum Zweitligisten VfB Stuttgart. Anfang des Monats debütierte der
       Verteidiger in der Nationalmannschaft seiner Heimat. Die 5 Millionen Euro
       Ablöse, die der VfB vor anderthalb Jahren nach Nordfrankreich überwies,
       würden sich bei einem Weiterverkauf nun vervielfachen. Einige
       Bundesliga-Manager nennen Frankreich in Hintergrundgesprächen einen
       „wichtigen Markt der Zukunft“. Die täglich erscheinende französische
       Sportzeitung L’Equipe titelte zuletzt: „Deutschland hat unsere Zukunft in
       der Hand.“
       
       Aber warum wechselt beispielsweise ein Spieler wie Diallo aus Monaco nach
       Mainz und nicht nach Nantes, Lyon oder Marseille, um den nächsten Schritt
       zu machen? Geld ist ein Faktor, aber nicht der einzige; die Klubs der Ligue
       1 kassieren viel weniger Geld aus den TV-Verträgen als jene in Deutschland
       oder England. Ein französischer Spielerberater, der seinen Namen nicht in
       der Zeitung lesen will, erklärt: Außer Paris St. Germain und Monaco zahlen
       französische Klubs für junge Profis ein monatliches Gehalt von höchstens
       30.000 Euro. In Deutschland gebe es mindestens das Doppelte – je nach
       Stärke des Talents -, in England mindestens das Vierfache. In England aber
       blockieren aufgrund der Finanzkraft der Premier League auf fast allen
       Positionen Stars die Startelfplätze.
       
       Auch die besseren Klubs in Frankreich hinter Paris und Monaco bauen auf
       zentralen Positionen auf etablierte Kräfte. Für die Flut an guten
       Nachwuchsspielern gibt es oft schlicht keine Verwendung. „Wir haben in
       Frankreich sehr, sehr viele sehr gute junge Spieler zurzeit“, sagt Abdou
       Diallo: „Die französischen Vereine wissen aber oft nicht so genau, wie sie
       die jungen Spieler einsetzen sollen. Die deutschen Klubs haben das erkannt
       und französische Spieler verpflichtet.“
       
       In Frankreichs Profiteams, so Diallo, herrsche zudem noch eine klassische
       Hierarchiepyramide: Zuerst kommen die Stars, dann ältere Spieler und erst
       zum Schluss junge Spieler. In Deutschland hingegen sei der Wille
       verbreitet, sich auf jeden Spieler individuell einzulassen und ihn besser
       zu machen: „In Frankreich hatte ich schon den Eindruck, dass verdiente
       Spieler oder Stars eher mal einen Fehler machen dürfen als ein junger
       Spieler. Der Umgang mit jungen Spielern, die gerade in die erste Mannschaft
       kommen, ist in Frankreich ein anderer“, sagt Diallo.
       
       So sei es in Frankreich nicht grundsätzlich üblich, dass der Trainer und
       der Sportdirektor eines Klubs mit einem jungen Spieler persönlich sprechen.
       Diallo wechselte auch deshalb für 5 Millionen Euro Ablöse nach Mainz, weil
       FSV-Trainer Sandro Schwarz und Sportvorstand Rouven Schröder persönlich
       nach Monaco geflogen waren, um sich um ihn zu bemühen.
       
       In Deutschland, so Abdou Diallo, behandelten die Klubverantwortlichen alle
       Spieler gleich. Offenbar herrscht in den Kabinen der Bundesliga mehr
       Égalité als in Frankreichs Erster Liga.
       
       21 Nov 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Tobias Schächter
       
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