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       # taz.de -- Rivalität zwischen Saudi-Arabien und Iran: Neue Front im Libanon
       
       > Libanons Premier Hariri ist verschwunden. Steckt Saudi-Arabiens Konflikt
       > mit dem Iran dahinter? Der Skandal hat enormes Eskalationspotenzial.
       
   IMG Bild: Seitdem zurückgetreten und abgetaucht: Libanons Ministerpräsident Hariri (r.) in Saudi-Arabien Anfang November
       
       Der ohnehin schon krisengebeutelte Nahe und Mittlere Osten ist dieser Tage
       um einen Konflikt reicher geworden, der im Libanon ausgetragen wird. Dieser
       hat weniger mit den Wirrungen libanesischer Politik und dem Geflecht aus
       Religionsgruppen und Familienclans zu tun, das dort schon einmal zu einem
       14jährigen Bürgerkrieg geführt hat.
       
       Vielmehr ist der Libanon neuer Austragungsort der regionalen Rivalität
       zwischen Saudi-Arabien und dem Iran, die in den vergangenen Tagen einen
       neuen Höhepunkt erreicht hat. Die beiden Kontrahenten sind der saudische
       Kronprinz Muhammad Bin Salman, kurz MBS genannt, und die vom Iran gelenkte
       schiitische libanesische Hisbollah mit ihrem Chef Hassan Nasrallah.
       
       Auslöser war der Rücktritt des libanesischen Premiers Saad Hariri, den er
       kurioserweise in Saudi Arabien verkündete, wo er seitdem abgetaucht ist.
       Nun wird viel spekuliert. Ist Hariri nach Saudi Arabien geflohen, weil er,
       wie er bei seinem Rücktritt selbst erklärt hatte, Angst vor einem
       Mordkomplott der Hisbollah hatte? Oder wurde er in Saudi Arabien unter
       Hausarrest gestellt und aus dem Verkehr gezogen, weil er zu wenig auf
       Konfrontationskurs mit seinem Regierungspartner Hisbollah gegangen war?
       Festzuhalten ist, dass seitdem ein Krieg der Worte zwischen Saudi Arabien
       und Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah ausgebrochen ist. Nasrallah wirft Saudi
       Arabien vor, der Hisbollah den Krieg erklärt zu haben.
       
       Der Konflikt hat ein enormes Eskalationspotential. Aber noch ist unklar,
       wohin das Säbelrasseln führen wird. Grundsätzlich hat der saudische
       Kronprinz MBS zwei Optionen. Ähnlich wie im Syrien-Krieg kann er versuchen,
       auch im Libanon einen Stellvertreterkrieg vom Zaun zu brechen. Dafür müsste
       er aber einen lokalen Partner finden, der im saudischen Auftrag handelt.
       Bisher drängelt sich im Libanon niemand vor.
       
       ## Die saudische Politik gegen Iran ist bisher gescheitert
       
       Der Kronprinz könnte auch versuchen, die Front im Libanon zu
       internationalisieren. Im Angebot stehen Israel mit seinen vielen offenen
       Rechnungen gegenüber der Hisbollah sowie US-Präsident Donald Trump, der
       bisher wort- und twittermächtig die Anti-Iran-Politik von Saudi Arabien
       unterstützt. Beide halten sich im Moment aber eher im Hintergrund.
       
       Dass Saudi-Arabien gerade jetzt im Libanon Öl ins Feuer gießt, hat
       sicherlich mit einem gewissen Frust zu tun. Denn die Politik Saudi-Arabiens
       mit ihrer obersten Prämisse, den iranischen Einfluss einzudämmen, ist
       bisher gescheitert. Im Jemen hat sich Saudi-Arabien in einen
       Stellvertreterkrieg gegen den iranischen Einfluss ziehen lassen, der
       Saudi-Arabien viel, den Iran aber wenig kostet. Auch an der zweiten Front
       kommt MBS nicht weiter. Er hat es nicht geschafft, seinen kleinen
       Golfnachbarn Katar, wegen dessen Kontakte zum Iran in die Knie zu zwingen.
       
       Und an der dritten Front, in Syrien, hat MBS bereits verloren, bevor er
       sein Amt antrat. Die ursprüngliche saudische Idee, den syrischen Diktator
       Baschar Assad zu stürzen und mit einer Alternative aufzuwarten, die von
       Saudi-Arabien kontrolliert wird, kann getrost als gescheitert
       betrachtetwerden.
       
       Dementsprechend zeichnet sich ein regionales Bild ab, dass so etwas wie der
       saudische Albtraum sein dürfte. Die iranische Einflusszone reicht heute von
       Teheran bis ans Mittelmeer. Im Irak bestimmen allmächtige schiitsche
       Milizen die Szene. Die Zentralregierung in Bagdad ist ebenso schiitisch
       dominiert wie die schiitisch offiziellen Sicherheitskräfte. In alldem hat
       der Iran seine Finger drin. Im benachbarten Syrien hängt Assad am
       iranischen Tropf.
       
       ## Der Iran kontrolliert schiitische Milizen in der Region
       
       Denn es sind die vom Iran kontrollierten schiitische Milizen und die
       Hisbollah, die das wichtigstes militärisches Rückgrat des Regimes in
       Damaskus darstellen. Ohne sie hätte Assad niemals weite Teile des Landes
       von den syrischen Rebellen und von dem „Islamischen Staat“ (IS)
       zurückerobern können. Jeder militärische Sieg Assads ist damit auch
       automatisch eine Stärkung des iranischen Einflusses in Syrien. Und mit der
       Hisbollah besitzt Teheran den militärisch potentesten Player im Libanon,
       der dort auch Mitglied in der Regierung ist.
       
       Zunehmend in seiner Nachbarschaft vom Iran in die Ecke gedrängt, tritt
       Saudi-Arabien nun die Flucht nach vorne an. Weil MBS sich aus dem Krieg mit
       dem Jemen nicht mehr zurückziehen kann, weil er in Katar nicht weiter
       kommt, weil für ihn in Syrien derzeit nichts mehr zu holen ist und weil der
       Irak verloren ist, eröffnet der saudische Kronprinz eine neue Front mit der
       Hisbollah im Libanon.
       
       Derweil ist noch nicht einmal klar, wie es in Saudi Arabien selbst
       weitergehen wird. Dort versucht der Kronprinz seine Macht gegen die
       internen wirtschaftlichen und politischen Fürstentümer der anderen Prinzen
       zu zentralisieren. Der Ausgang ist offen. Der Nahe Osten war schon immer
       ein Pulverfass. Aber in den letzten Jahrzehnten war er nie so unberechenbar
       wie heute.
       
       12 Nov 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Karim El-Gawhary
       
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