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       # taz.de -- Wer Dialoge scheut und wer nicht
       
       > Die Filmemacherinnen Antje Kruska und Judith Keil über ihre Dokumentation
       > „Inschallah“, Dreharbeiten in der Neuköllner Dar-Assalam Moschee und die
       > schwierige Kommunikation mit dem Verfassungsschutz
       
   IMG Bild: Szene aus „Inschallah“: Imam Taha Sabri predigt in der Dar-Assalam Moschee in Neukölln Foto: Keil Kruska Film AG
       
       Interview Toby Ashraf
       
       Antje Kruska und Judith Keil haben als Regisseurinnen und
       Drehbuchautorinnen acht Filme in Co-Regie realisiert. Darunter die
       Dokumentarfilme „Der Glanz von Berlin“ (2001), „Dancing with Myself“ (2005)
       und „Land in Sicht“ (2013). „Inschallah“ gewann bei der der Duisburger
       Filmwoche den Publikumspreis, führte aber auch zu kontroversen
       Diskussionen. 
       
       taz: Ihr Spezialgebiet sind dokumentarische Ensemble-Filme. Nun widmen Sie
       sich zum ersten Mal einer einzelnen Person, dem Imam Taha Sabri. Wie kamen
       Sie auf ihn? 
       
       Judith Keil: Unseren letzten Film „Land in Sicht“ hatten wir bereits in der
       Dar-Assalam Moschee in Neukölln gedreht, weil einer unserer Protagonisten
       da zur Freitagspredigt ging. Dort ist Taha Sabri Imam. Wir hatten zuerst
       damit gerechnet, dass es nicht leicht sein würde, in einer Moschee eine
       Drehgenehmigung zu bekommen, uns wurden jedoch sofort die Türen geöffnet.
       Das war spontan eine tolle Begegnung mit Taha Sabri, bei der wir merkten,
       dass sich unsere Befangenheit und unsere Vorbehalte in Luft auflösten, weil
       wir sofort willkommen geheißen wurden. Wir konnten uns da dann auch ohne
       Absprachen sehr frei bewegen.
       
       Ihr Film beginnt mit dem Kamerablick auf eine Gruppe betender Männern. War
       der Dreh also mit allen aus der Gemeinde abgesprochen oder reichte das Wort
       des Imam? 
       
       Antje Kruska: In diesem Fall hat Taha Sabri den Dreh vor der
       Freitagspredigt angekündigt, sodass Gemeindemitglieder vorher entscheiden
       konnten, ob sie Teil nehmen möchten. Taha Sabri kann nicht jedes Mitglied
       der Gemeinde befragen.
       
       Keil: Es gehört zur Devise der Moschee, sich Medien und allen Neugierigen
       zu öffnen. Das wissen die Gläubigen, die in diese Moschee kommen. Darüber
       gibt es auch geteilte Meinungen. Nicht alle finden das toll.
       
       Man merkt Ihrem Film an, dass zwischen Ihnen und Ihrem Protagonisten ein
       freundschaftliches Verhältnis bestand. 
       
       Kruska: Was uns mit Taha Sabri verbunden hat, ist, dass wir ein ähnliches
       Interesse teilen. Er ist zwar Imam und wir Dokumentarfilmerinnen, aber
       trotzdem interessieren wir uns, wie er, für menschliche Geschichten und
       versuchen durch sie zu verstehen, wie größere gesellschaftliche
       Zusammenhänge funktionieren. Wir haben erst durch den Dreh richtig
       verstanden, dass ein Imam nicht nur Predigten hält, sondern seine
       Hauptaufgabe eine seelsorgerische ist. Seine Arbeit ist eine Gratwanderung
       zwischen den Meinungen der Mehrheitsgesellschaft und einem muslimisch
       treuen Leben.
       
       Ihr Film hat einen erzählerischen Höhepunkt mit der Verleihung des
       Verdienstordens des Landes Berlin an Taha Sabri. Danach gab es jedoch einen
       medialen Backlash, als bekannt wurde, dass die Dar-Assalam Moschee unter
       Beobachtung des Verfassungsschutzes steht, weil man ihr und Sabri eine
       Verbindung zur Muslimbruderschaft unterstellt. Es wirkt im Film wie eine
       Kampagne gegen die Moschee, allerdings gehen Sie auch nicht weiter darauf
       ein. Durch diese Wendung wird das vorherige, positive Bild in Frage
       gestellt. 
       
       Kruska: Wir waren auf eine Art selbst geschockt, weil wir das vorher nicht
       selbst herausgefunden hatten, und es auch nicht auf unserer Agenda stand
       gegen Ende des Filmes nochmal eine Tiefenrecherche anzusetzen. Unsere
       Haltung war aber sofort solidarisch mit unserem Protagonisten, was nicht
       bedeutet, dass wir uns nicht mit dem Verfassungsschutz und einigen Experten
       in Verbindung gesetzt hätten. Natürlich haben wir auch mit Taha Sabri
       darüber geredet. Wir sind ziemlich schnell zu dem Schluss gekommen, dass
       die Beschuldigungen gegen Sabri, heimlich radikal zu sein oder
       verfassungswidrig zu operieren, nicht zusammenzubringen sind mit seinem
       täglichen Engagement und dem, was er an der Seite des Bürgermeisters und
       auch sonst öffentlich verkündet. Er hat uns in seiner Menschenliebe so
       überzeugt, dass wir diesem Misstrauen gar nicht anheimfallen konnten und
       uns ein Stück weit auch innerlich dagegen gewehrt haben. Wir wussten aber
       gleichzeitig, dass wir dem auch nachgehen müssen. Wir hätten es im Film
       gerne noch einen Tick ausführlicher behandelt, aber die entsprechenden
       Vertreter, die man dafür hätte vor die Kamera bitten müssen, wollten das
       nicht.
       
       Was für Vertreter? 
       
       Kruska: Konkret hätten wir gerne einen sehr kritischen Journalisten mit
       Herrn Sabri zusammen vor der Kamera erzählen lassen. Der Betreffende meinte
       aber nur, er sehe darin keinen Sinn. Er hatte sein Urteil wohl schon
       gefällt und den Willen, noch einmal hinter die Vorwürfe zu schauen und
       durch ein ausführlicheres Gespräch wirklich den Dialog zu suchen, konnte er
       nicht aufbringen. Das ist schade, einerseits für den Film, andererseits
       besonders für den Imam, dessen Ruf durch wenige harte Zeitungsartikel
       dauerhaft geschädigt bleibt. Den Leiter des Berliner Verfassungsschutzamts
       hatten wir auch angefragt, sind aber nur bis zur Pressesprecherin
       durchgedrungen, die uns erklärte, daran hätten sie kein Interesse. Außerdem
       sei alles Wissenswerte im Verfassungsschutzbericht dokumentiert.
       
       Was genau steht da? 
       
       Keil: In den Verfassungsschutzberichten 2014 und 2015 stand lediglich ein
       Satz, der besagt, dass diese Moschee wie andere muslimische Vereine und
       Verbände Verbindungen zum IGD (Islamische Gemeinschaft in Deutschland) hat,
       der wiederum im Verfassungsschutzbericht im Kontext der Muslimbruderschaft
       steht, die unter Beobachtung steht. Es ist quasi ein Drei-Stufen-Modell.
       Dass Taha Sabri Menschen vom IGD kennt, bestreitet er nicht, was nicht
       heißt, dass er dort Mitglied ist.
       
       Es scheint für einen Skandal aber zu genügen, jemandem vom IGD die Hand zu
       schütteln oder ihn in seiner Moschee zu begrüßen. 
       
       Kruska: Der Vorwurf, der Taha Sabri immer ereilt, ist, dass er sich nicht
       genug vom IGD abgrenzt und sich nicht komplett von ihm lossagt. Viele
       Reformer innerhalb des islamischen Diskurses fordern radikal ein, sich von
       bestimmten Auslegungen des Korans und bestimmten Menschen klar zu
       distanzieren. Die Frage ist: Wie entscheidet man sich in so einer
       Schlüsselposition? Auf der einen Seite ist es wichtig und legitim klare
       Grenzen zu setzen, auf der anderen Seite finden wir Sabris Weg legitim,
       weil er engen Kontakt zu seiner Gemeinde hält und ihr durch seine liberale
       Art in Bezug auf ein religiöses Leben ohnehin schon oft eine Nasenlänge
       voraus ist. Es geht Sabri in seiner Arbeit darum, dass die Mitglieder der
       Gemeinde glücklich sind und ihr Leben auch mit Freude leben können, ohne
       sich durch die Religion eingeschränkt zu fühlen. Das versucht er zu
       predigen und weiterzugeben und verweigert dabei nicht den Handschlag mit
       Menschen, die für konservativere Varianten des Islam stehen. Das kann man
       kritisch sehen oder aber sehen, dass Sabri dadurch eine Bewusstwerdung
       bewirkt für bestimmte Problematiken und Risiken.
       
       Keil: Wenn man sieht, was Taha Sabri tagtäglich macht, kann man an seinem
       Wirken und Tun ablesen, wofür er eintritt, und dass das eben auch nicht
       immer einfach ist innerhalb dieser Welt der Muslime. Sabri hat auch
       innerhalb dieser Kreise viele Gegner und Feinde, weil er jemand ist, der
       zum Beispiel Homosexuelle in die Moschee einlädt und sich für Frauenrechte
       stark macht. Dafür, dass er viele Grenzen aufweicht, steckt Sabri viel
       Kritik ein. Es zeigt sich, wie stark dieses Feld von allen Seiten
       aufgeladen ist. Es ist ein heißes Pflaster, auf dem man mit jedem Schritt
       eigentlich nur Fehler machen kann, egal in welche Richtung man geht. Dass
       Sabri wacker dabeibleibt, bereitwillig Interviews gibt und den Dialog nicht
       scheut, ist bewundernswert.
       
       24 Nov 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Toby Ashraf
       
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