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       # taz.de -- heute in bremen: „Die bildliche Präsenz nimmt nicht notwendig ab“
       
       Interview Dominik Koos 
       
       taz: Herr Siegert, das „Digital Urban Impact Lab“ möchte mit Bewohnern des
       Bremer Westens über das Thema Digitalisierung ins Gespräch kommen. Warum
       braucht es dafür eine Ausstellung zum Thema Erinnerungskultur? 
       
       Stephan Siegert: Für die Gesellschaft der vierten Nachkriegsgeneration ist
       die Frage wichtig, wie wir mit einer Vergangenheit umgehen, wenn es die
       Groß- und Urgroßeltern, die Zeitzeugen von damals, nicht mehr gibt. In den
       neuen medialen Möglichkeiten sehen wir eine große Chance für das Erinnern.
       Als ein Beispiel zeigen wir den Dokumentarfilm „#uploading_holocaust“, der
       nur aus Videomaterial besteht, das israelische Jugendliche auf
       Gedenkstättenfahrt in Polen auf Youtube hochgeladen haben. Die Diskussion
       über den Nutzen und die Gefahren neuer technischer Möglichkeiten wollen wir
       mit den Bremern und Bremerinnen führen.
       
       Die Ausstellung zeigt Beiträge zum Erinnern an Unterdrückung und Widerstand
       aus unterschiedlichen europäischen Kontexten. Was haben diese historischen
       Erfahrungen miteinander zu tun? 
       
       Uns geht es um die Frage, wie Erinnern heute geht. Die deutsche
       Vergangenheit ist dafür unser Beitrag. Dafür haben wir mit 70 Fotografinnen
       und Fotografen aus der Region den U-Boot-Bunker Valentin dokumentiert. Uns
       war es jedoch wichtig, dass die Projektpartner aus Italien, Polen, Spanien,
       Albanien, Rumänien, Estland, Bulgarien und Griechenland ihre Perspektiven
       mit einbringen. Jede Gesellschaft muss eigene Lösungen der
       Vergangenheitsaufarbeitung finden. Diese unterschiedlichen Perspektiven
       wollen wir diskutieren. Auch und ganz besonders mit Menschen, die aus
       anderen Kontexten nach Deutschland gekommen sind.
       
       Und dafür sollten auch digitale Möglichkeiten genutzt werden? 
       
       Was sich ändert ist, dass der zeitliche Abstand zu historischen Ereignissen
       größer wird, die bildliche Präsenz nimmt aber nicht notwendig ab. Ein
       aktuelles Beispiel ist die Diskussion um Selfies, die Besucher in der
       Gedenkstätte Auschwitz gemacht haben. Das gab einen großen Aufschrei. In
       Dachau beispielsweise hat man das Selfiemachen jedoch zugelassen und medial
       begleitet. Diese Möglichkeiten einer Übertragung müssen diskutiert werden.
       Was geht und was nicht? Auch für Erinnerungskultur gilt: Digitalisierung
       muss erlernt werden.
       
       Erreicht die Diskussion um Erinnerungskultur heute eine neue Breite? 
       
       Es ist gut, dass immer häufiger nicht nur die historische Epochen
       diskutiert werden, sondern auch die Frage, wie erinnert werden sollte. Das
       spezifische einer historischen Epoche darf dabei jedoch nicht aus den Augen
       verloren werden.
       
       29 Nov 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Dominik Koos
       
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