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       # taz.de -- Verfahren gegen Heimpersonal eingestellt: Hausarrest ist schon okay
       
       > Den leitenden Mitarbeitern eines Heims in Thedinghausen wurde
       > vorgeworfen, Jugendliche misshandelt zu haben. Das Verfahren wurde
       > eingestellt.
       
   IMG Bild: Oft sehr verästelt: Beziehungen zwischen Jugendlichen und Betreuern.
       
       Verden taz | Vier ehemalige Mitarbeiter eines Jugendheims für schwer
       Erziehbare in Thedinghausen sind ohne Verurteilung davongekommen. Das
       Verfahren wurde am Montag eingestellt, drei der Angeklagten müssen eine
       Geldauflage zahlen.
       
       Bereits am dritten Verhandlungstag vor dem Landgericht Verden hatte einer
       der Zeugen ausgesagt, er und andere frühere Bewohner hätten sich die
       Vorwürfe nur ausgedacht. Und die waren krass: Die Angeklagten sollen die
       Jugendlichen nur mit Unterhose und T–Shirt bekleidet in einen fast leeren
       Raum gesperrt haben. „Zimmerbunker“ sollen sie diesen Raum genannt haben.
       Außerdem umfasste die Anklageschrift schwere körperliche Misshandlungen von
       März 2009 bis Dezember 2011 – pro Angeklagtem ging es um zwei bis 14 Fälle.
       
       Einer der Angeklagten wurde ohne Auflagen entlassen. Er habe als
       Arbeitstrainer in dem Heim eine andere Rolle gespielt als die leitenden
       Mitarbeiter, begründet der Vorsitzende Richter Marcus Tittel. Die Verfahren
       gegen die beiden damaligen pädagogischen Leiter wurden gegen die Zahlung
       von jeweils 750 Euro eingestellt. Der Inhaber des im Jahr 2012 wegen
       Insolvenz geschlossenen Heimes muss zur Einstellung des Verfahrens 1.500
       Euro zahlen.
       
       Der Heiminhaber saß während des letzten Verhandlungstages mit gesenktem
       Kopf neben seinem Verteidiger, die Hände auf dem Tisch verschränkt. Sein
       Mandant habe keine Straftat begangen und sei von Anfang an von einem
       Freispruch ausgegangen, sagte sein Verteidiger. Anders als die anderen
       Angeklagten stimmte der Heimleiter dem Vorschlag, den Prozess einzustellen,
       nicht gleich zu.
       
       ## Schwierige Zeugen
       
       Als das Verfahren für die anderen drei Angeklagten bereits beendet war,
       sagte noch jener ehemalige Bewohner des Heims aus, der die schwersten
       Vorwürfe erhoben hatte. Er ist heute 23 Jahre alt, zur Verhandlung kam er
       in Jogginghose. Den Justizbeamten, der ihn in den Saal führte, überragte er
       um einen ganzen Kopf. Während seiner Befragung am Montag wurde deutlich,
       was Richter Tittel bereits zu Beginn des Prozesses gesagt hatte: Das
       Gericht hat es mit „äußerst schwierigen Zeugen“ zu tun.
       
       Der 23-jährige Zeuge verbrachte eineinhalb Jahre in dem Heim, wurde dort
       immer wieder gewalttätig und saß nach seiner Zeit im Heim ein Jahr im
       Gefängnis. Bei einem Polizeiverhör im November 2011 hatte er ausgesagt, es
       habe im Heim zahlreiche „Zimmerbunker“ gegeben. Sein längster Arrest habe
       62 Tage gedauert. Seine Zeit in dem Heim beschrieb er als „beschissen“. Er
       warf den Betreuern vor, ihm viele Rechte genommen und etwa seine Briefe
       gelesen zu haben.
       
       Am Montag vor Gericht aber wollte er sich an die meisten Details nicht mehr
       erinnern. Er sei gar nicht fast nackt, sondern in Jogginghose und T–Shirt
       eingesperrt worden. Seine restliche Kleidung sei wegen einer
       Drogenkontrolle durchsucht worden und das Mobiliar seines Zimmers habe er
       selbst zerstört, genau wie die Fensterscheibe, vor die dann Spanplatten
       genagelt worden waren. Angeordnet habe den „Zimmerbunker“ eine andere
       Betreuerin und nicht der Heiminhaber. Ein Prozess gegen besagte Betreuerin
       war ebenfalls bereits eingestellt worden. Für die Staatsanwältin war diese
       Zeugenaussage eine Bestätigung. Sie gehe nach der Beweisaufnahme davon aus,
       dass die Vorwürfe nicht so gravierend seien wie es zunächst ausgesehen
       habe, sagte sie.
       
       ## Schwierige Beweislage
       
       Die Einschätzung der Prozessleitung lautet: Nicht jede Form von Hausarrest
       ist verboten. Richter Tittel betonte jedoch, es gebe Anhaltspunkte dafür,
       dass insbesondere die Jugendlichen in der oberen Wohngruppe des Heims etwa
       durch verschlossene Türen in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt worden
       waren – und zwar eingeschränkter als die Vorgaben des Landesjugendamtes es
       für nicht geschlossene Einrichtungen zugrunde legten.
       
       Die weitere Beweisaufnahme könnte sehr verästelt werden, sagte Tittel.
       Erschwerend komme hinzu, dass die Vorfälle in dem mittlerweile
       geschlossenen Heim ja bereits viele Jahre zurückliegen. Auch der ehemalige
       Heiminhaber stimmte der Einstellung des Verfahrens letztendlich zu. Einen
       Freispruch gab es für keinen der Angeklagten.
       
       5 Dec 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Milena Pieper
       
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