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       # taz.de -- heute in bremen: „Die Angst und die Verunsicherung sind noch in unseren Köpfen“
       
       Interview Dominik Koos
       
       taz: Herr Shajan, warum sind Sie 2016 nach Bremen gekommen? 
       
       Mohammad Shajan: Ich war während der grünen Bewegung Student in Teheran.
       Die Bewegung war von feministischen Motiven getragen. Wenn man im Iran
       gegen die Unterdrückung der Frauen ist, ist man auch gegen die Religion –
       denn die islamistische Regierung stützt sich auf die Religion. Um einer
       Verfolgung zu entgehen, bin ich geflohen.
       
       2015 wurde das Bündnis „Equal Rights For All“ gegründet. Damals standen
       Probleme in überfüllten Unterkünften im Vordergrund. Vor welchen Problemen
       stehen Geflüchtete heute? 
       
       Zum einen bringen wir alle Probleme aus unseren Heimatländern mit. In
       Syrien ist Krieg und die Menschen, die von dort fliehen, haben Familie und
       Verwandte. Im Iran regiert immer noch das islamistische Mullahregime. Und
       in Afghanistan herrscht Krieg und Unsicherheit. Bis jetzt mussten wir
       rennen. Doch die Vergangenheit holt uns am Ende wieder ein.
       
       Und wie ist die Situation in Bremen? 
       
       Das Aufenthaltsgesetz unterteilt uns in unterschiedliche Gruppen. Menschen
       aus Syrien beispielsweise haben einen privilegierten Status. Sie erhalten
       sofort Zugang zu Integrationskursen. Geflüchtete aus dem Balkan haben weder
       Zugang zu Sprachkursen noch erhalten sie einen gesicherten
       Aufenthaltsstatus.
       
       Und Abseits des rechtlichen Status? 
       
       Es gibt eine rassistische Stimmung. Wir sind mit Vorurteilen konfrontiert,
       Geflüchtete seien faul, wollen nicht arbeiten oder sind gar Verbrecher.
       Daher haben es viele schwer, eine Wohnung oder einen guten Arbeitsplatz zu
       finden. Viele Leute, die in ihrer Heimat Ingenieur waren, arbeiten hier als
       Putzkraft.
       
       Und gegen diesen Stillstand wehren Sie sich? 
       
       Ja. Es ist unfair, wenn Politiker*innen Entscheidungen über unsere Köpfe
       hinweg treffen. Viele trauen sich nicht, ihre Anliegen selbstbewusst
       vorzutragen. Uns vereint eine Fluchterfahrung. Die Angst und die
       Verunsicherung, die den autoritären Verhältnissen, aus denen wir kommen,
       entspringt, sind immer noch in unseren Köpfen.
       
       Aber das Bündnis setzt sich auch für Anliegen ein, die nicht nur
       Migrant*innen betreffen? 
       
       Es gibt Themen wie Rassismus, der in erster Linie uns betrifft. Das ist
       unser Kampf, auch wenn wir auf Unterstützung angewiesen sind. Aber so wie
       sich viele Deutsche für Gerechtigkeit und gegen Rassismus engagieren,
       müssen auch wir uns für die Anliegen einsetzen, die in Deutschland alle
       betreffen: Wir müssen uns in feministische Kämpfe, Arbeitskämpfe und
       soziale Kämpfe einmischen.
       
       9 Dec 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Dominik Koos
       
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