# taz.de -- Krawall vor Gericht: Mildes Urteil für Hooligan
> 2015 demonstrierte die Justiz Härte gegen gewalttätige Linke. Umso milder
> gab sich das Amtsgericht jetzt gegen einen beteiligten Rechten.
IMG Bild: Spektakel in der Kurve: Werder-Ultras, 2015 in Stuttgart.
Bremen taz | Das Video, das den Angriff von Christian F. belegt, ist
eindeutig: Gegenstände fliegen, eine Gruppe Jugendlicher rennt davon. Ein
junger Mann mit grüner Jacke und Schal im Gesicht wendet sich vom Geschehen
ab. Doch Christian F. stellt dem Flüchtenden, der offenbar mit dem Angriff
nicht rechnet, nach und schlägt mit einer Bierkiste auf seinen Kopf. Der
Angegriffene fällt zu Boden und bleibt reglos liegen.
Von einem minder schweren Fall ging jetzt das Gericht aus: Zu insgesamt
3.600 Euro Strafe verurteilte dass Amtsgericht Christian F. am Freitag,
wegen gefährlicher Körperverletzung. Der 50-Jährige hatte gestanden, einen
Werder-Fan mit einem wuchtigen Schlag durch eine Bierkiste auf den
Hinterkopf niedergestreckt zu haben. Seinerseits ist F. einer der
Geschädigten im „Valentin“-Prozess: Bei diesem öffentlich viel beachteten
Verfahren war wiederum ein Bremer Ultra verurteilt worden, ihn
niedergeschlagen zu haben.
## „Gesenkte Hemmschwelle“
Für das jetzige milde Urteil sprach nach Ansicht von Richterin Bolte die
alkoholbedingt gesenkte Hemmschwelle des Täters, dass er keine Vorstrafen
hatte und dass das Opfer kein Interesse an einer Strafverfolgung erkennen
ließ – denn der Geschädigte machte von seinem Aussageverweigerungsrecht
Gebrauch, um sich möglicherweise nicht selbst belasten zu müssen.
An jenem Tag in 2015 wurde Berichten zufolge eine Gruppe der Ultras von
Hooligans, die sich vor der Kneipe „Verdener Eck“ aufhielten, in Richtung
Weserstadion getrieben. Dort sei die Gruppe zusammen mit Fans, die das
Stadion verließen, von der Polizei zurück in Richtung Verdener Straße
gedrängt worden. Aus dieser Menschenmenge sei die Gaststätte „Verdener Eck“
mit Tischen und Flaschen beworfen worden. Unter den aus der Kneipe
strömenden Hooligans war auch Christian F.
Wer die nur zweistündige Verhandlung verfolgte, musste den Eindruck
gewinnen, bei dem Vorfall handele es sich um eine unpolitische Schlägerei
unter Fußballfans. Doch in der Gruppe, der Christian F. angehörte, befanden
sich auch deutschlandweit aktive rechte Hooligans wie Marcel Kuschela und
Hannes Ostendorf, führende Mitglieder der Hooligangruppierung „Nordsturm
Bremen“. Die Gruppe machte in den vergangenen Jahren mit einer Reihe von
gewaltsamen Angriffen gegen die antifaschistisch geprägte Bremer
Ultrakultur auf sich aufmerksam.
## Schleppende Ermittlungen
Eigentlich hatte die Staatsanwaltschaft aus dem vorangegangenen Verfahren
umfangreiches Aktenwissen. Doch mit wem Christian F. beim Bremer Nordderby
unterwegs war, wurde im Prozess nicht erörtert. Überhaupt kamen die
Ermittlungen gegen Christian F. schleppend in Gang: Bereits im November
2015 musste die Staatsanwaltschaft aus einer Vernehmung von dem Angriff
Christian F.s Kenntnis erlangt haben. Doch Ermittlungen nahm sie erst ein
halbes Jahr später auf, als durch den Verteidiger von Valentin S., Horst
Wesemann, ein Video von dem Vorfall vor Gericht eingebracht wurde.
Der Rechtsanwalt Jan Sürig, der ebenfalls in dem Verfahren als Verteidiger
tätig war, stellte wegen unterbliebener Ermittlungen sogar Anzeige wegen
Strafvereitelung im Amt gegen den handelnden Staatsanwalt. In seinem
Schlussvortrag sprach Sürig Prozessberichten zufolge von „einer
strukturellen Unfähigkeit oder Unwilligkeit, gegen Rechtsextreme zu
ermitteln und vorzugehen“.
## Schuldfrage umstritten
Obwohl die Polizei bereits vor der Verurteilung die Ultras in einer
Pressekonferenz öffentlichkeitswirksam als Hauptbeschuldigte des Vorfalls
bezeichnet hatte, ist nach wie vor umstritten, welche der Gruppen die
Verantwortung für die Gewalteskalation trägt. Die gewaltsamen Attacken im
Vorfeld der Auseinandersetzung bezeichnete ein Polizeibeamter der
Ermittlungsgruppe „Verdener Straße“ im Prozess als „ein Geben und Nehmen“.
Einen Anlass, die Personalien der anwesenden Hooligans festzustellen, sah
die Polizei damals jedoch nicht.
Abgeschlossen ist die juristische Aufarbeitung der Vorfälle des Nordderbys
in Bremen 2015 noch nicht: Nach Angaben des Polizeibeamten werden weitere
Strafverfahren geführt. Ob dabei auch gegen Beteiligte der Hooligangruppe
ermittelt wird, dazu machte die Staatsanwalt gegenüber der taz keine
Angaben.
2 Dec 2017
## AUTOREN
DIR Dominik Koos
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