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       # taz.de -- Streit um Residenzpflicht für Geflüchtete: Grüne sauer auf Berlins Innensenator
       
       > Andreas Geisel (SPD) will Geflüchtete davon abhalten, nach Berlin zu
       > ziehen. Das dürfte auf dem Grünen-Parteitag am Samstag für Ärger sorgen.
       
   IMG Bild: „Die Mitglieder sind begeistert von dem, was wir an der Regierung machen“: Nina Stahr und Werner Graf, die beiden Vorsitzenden der Berliner Grünen
       
       Berlin (taz |) Mit Empörung haben die Berliner Grünen auf den Vorstoß von
       Innensenator Andreas Geisel (SPD) reagiert, Geflüchteten in Deutschland den
       Umzug nach Berlin zu verbieten. „Menschen sollen dort leben, wo sie
       wollen“, sagte die Landesvorsitzende Nina Stahr am Freitag. „Das ist
       richtig kontraproduktiv“, schloss sich ihr Co-Chef Werner Graf an.
       
       Geisel will sich für eine Verlängerung von Wohnsitzauflagen für
       Asylbewerber einsetzen, wie er am Donnertagsabend im Abgeordnetenhaus
       sagte. Er schließt sich damit einer Initiative der beiden anderen
       Stadtstaaten Bremen und Hamburg an. Sie befürchten, dass sich nach
       Auslaufen der Regelungen zur sogenannten Residenzpflicht ab 2019 mehr
       Geflüchtete in große Städte umziehen werden.
       
       „Die Situation in den Berliner Schulen, auf dem Wohnungsmarkt, im Bereich
       der Transferleistungen ist in erheblichem Maße angespannt“, so Geisels
       Begründung im Parlament. Alle Bundesländer seien aufgefordert, ihren
       Beitrag zur Bewältigung der Situation zu leisten und sich solidarisch zu
       zeigen. „Diese Aufgaben müssen in ganz Deutschland getragen werden und
       nicht nur in den großen Metropolen.“ Nach den Bestimmungen der
       Residenzpflicht müssen Flüchtlinge nach ihrer Anerkennung drei Jahre in dem
       Bundesland wohnen bleiben, in dem sie ihr Asylverfahren durchlaufen haben.
       
       Geisels Vorstoß sei nicht mit der Koalition abgesprochen gewesen, sagte
       Grünenchef Graf am Freitag. „Ich kann jeden Menschen verstehen, der, weil
       er in der Provinz abgelehnt wird, in große weltoffene Städte ziehen will.“
       Seine Partei werde den Vorschlag des Innensenators nicht unterstützen. Er
       setzt deswegen auf Gespräche mit Geisel; vielleicht werde das Thema Stoff
       für den Koalitionsausschuss, dem Krisengremium von Rot-Rot-Grün.
       
       ## Auch die Linkspartei wird kritisiert
       
       Geisels Vorpreschen dürfte auch Thema auf dem Landesparteitag der Grünen an
       diesem Samstag werden. Dort soll ein Leitantrag beschlossen werden, der ein
       „umfassendes Gesamtkonzept“ für Integration fordert. Dieses fehle bislang.
       Der im Frühjahr erreichte Freizug der als Notunterkünfte genutzten
       Turnhallen sei nur ein erster Schritt gewesen; vor allem die freiwilligen
       Helfer müssten stärker in das Konzept einbezogen werden, so der Antrag.
       Damit greifen die Grünen auch den anderen Koalitionspartner direkt an: Für
       Integration ist Linkspartei-Senatorin Elke Breitenbach zuständig.
       
       ## Grüne gegen Kopftuchverbot
       
       Der Antrag sieht auch vor, das Berliner Neutralitätsgesetz abzuschaffen. Es
       verbietet etwa Lehrerinnen das Tragen eines Kopftuchs. Zwar sollen die
       Schulen als Gebäude weiterhin ein neutraler Ort bleiben, betonte Graf. Das
       generelle Verbot von Kopftüchern sei hingegen rechtlich nicht haltbar und
       faktisch unsinnig. „Wir müssen es schaffen, dass die Lehre an den Schulen
       neutral wird“, so Graf. Allein durch das Ablegen einer Kopfbedeckung sei
       das nicht gewährleistet.
       
       Graf gab zu, dass es auch bei den Grünen dazu unterschiedliche Positionen
       gebe. Ähnlich sieht es bei der SPD aus, die bisher offiziell am
       Kopftuchverbot festhält. „Das wird eine spannende Debatte“, ist sich Graf
       sicher.
       
       Auf dem Parteitag wollen die Grünen zudem eine Bilanz des ersten Jahres
       Rot-Rot-Grün in Berlin ziehen. Im Vorgespräch am Freitag gab sich Nina
       Stahr regelrecht euphorisch: „Die Mitglieder sind ziemlich begeistert von
       dem, was wir an der Regierung machen“, sagte sie. Bei den meisten Punkten
       herrsche eine Geschlossenheit über beide Parteiflügel hinweg.
       
       1 Dec 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bert Schulz
       
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