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       # taz.de -- Liebesakt in Brombeerhecken: Penisfliege ist Insekt des Jahres
       
       > Überall sterben Insekten, nur die gemeine Skorpionsfliege trotz dem Trend
       > – und pflanzt sich heiter fort. Jetzt wird sie gekürt.
       
   IMG Bild: Der Stachel ist ungefährlich, zumindest für Menschen, denn er dient nur der Fortpflanzung
       
       BERLIN taz | Dem Name nach möchte man ihr nicht begegnen: Die Gemeine
       Skorpionsfliege ist Insekt des Jahres 2018. Dazu kürte ein
       Expertenkuratorium das Tier mit der Länge einer Daumenbreite. Den Namen
       trägt das völlig ungefährliche Insekt wegen des stachelähnlichen
       Fortpflanzungsorgans der Männchen. „Ab dem späten Frühjahr kann der
       komplizierte Liebesakt in verwachsenen Brombeerhecken beobachtet werden“,
       sagt Kuratoriums-Vorsitzender Thomas Schmitt.
       
       Mit einem Hormon, ausgestoßen aus dem verhältnismäßig großem Hinterteil,
       kann das kleine Männchen paarungsbereite Weibchen aus etwa acht Metern
       Entfernung anlocken und anschließend füttern. „Damit erhöhen sich die
       Chancen des Männchens“, erklärt Schmitt. Mit ein wenig Glück kommt es dann
       zum Paarungsakt, bei dem die beiden Tiere bis zu 20 Minuten in einer
       innigen „V-Stellung“ verweilen.
       
       Neugierige Beobachter können es in den meisten Wäldern und Wiesen
       Mitteleuropas verfolgen, denn die Fliege ist weit verbreitet und gilt als
       ungefährdet – im Gegensatz zu vielen ihrer Artgenossinnen. „Das liegt
       daran, dass die Fliege eine sehr breite ökologische Nische hat“, berichtet
       Insektenexperte Schmitt. Viele Wildbienenarten wären stattdessen auf ganz
       spezielle Lebensräume angewiesen – und deswegen vom Aussterben bedroht.
       
       ## Riesiges Insektensterben belegt
       
       Was Naturschützer schon lange behaupten, ist seit Mitte Oktober
       wissenschaftlich belegt. Eine im renommierten Fachmagazin Plos One
       veröffentlichte [1][Studie] hatte offenbart, dass von 1989 bis 2016 die
       Gesamtmasse der Fluginsekten in 63 Naturschutzgebieten um 76 Prozent
       abgenommen hat. In der Mitte des Sommers, wenn normalerweise am meisten
       Insekten herumfliegen, betrug das Minus sogar 82 Prozent.
       
       Der Rückgang sei besonders alarmierend, weil nur geschützte Gebiete
       untersucht worden seien, schrieben Caspar Hallmann von der Radboud
       University im holländischen Nijmegen und seine Ko-Autoren. In ungeschützten
       Gebieten müsse der Insektenschwund also noch größer sein.
       
       Und die Fakten zum Insektensterben verdichteten sich weiter: Der NABU
       Baden-Württemberg legte kürzlich eine [2][Übersicht] von mehr als 20
       Studien vor, die allesamt das Insektensterben belegen, sei es in
       Großbritannien, den Niederlanden, Belgien, Ungarn oder in Deutschland. Die
       Masse der Insekten nimmt demnach überall mit mehr als 50 Prozent ab, in den
       meisten Regionen sogar mit über 70 Prozent.
       
       „Das Insektensterben ist eine Tatsache, auch bei uns“, sagte der
       NABU-Landesvorsitzende Johannes Enssle daraufhin. „Wenn das so weitergeht,
       erleben wir auf unseren Äckern wirklich bald den stummen Frühling“. Für
       Enssle gibt es zwei Hauptgründe für den Insektenrückgang, die
       Intensivierung der Landwirtschaft sowie den steigenden Einsatz giftiger
       Pestizide.
       
       6 Dec 2017
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371%2Fjournal.pone.0185809
   DIR [2] https://baden-wuerttemberg.nabu.de/tiere-und-pflanzen/insekten-und-spinnen/insektensterben/23404.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Hanna Voß
   DIR Lukas Dörrie
       
       ## TAGS
       
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