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       # taz.de -- Gerichtsentscheid zu Flüchtlingsschutz: Syrer bleiben subsidiär
       
       > Das Oberverwaltungsgericht Berlin lehnt die Klage einer Syrerin auf
       > Asylstatus ab: Bei Rückkehr nach Syrien drohe ihr keine Verfolgung.
       > Familiennachzug bleibt damit ausgesetzt.
       
   IMG Bild: Geflüchtete fordern am 8. November vor dem Innenministerium das Recht auf Familiennachzug.
       
       Droht Syrern allein aufgrund der Tatsache, dass sie in Deutschland Asyl
       beantragt haben, bei einer Rückkehr nach Syrien Verfolgung oder nicht? Das
       Berliner Oberverwaltungsgericht (OVG) hat diese Frage am Mittwoch mit Nein
       beantwortet. Damit bestätigt das Gericht die Praxis des Bundesamtes für
       Migration und Flüchtlinge (BAMF), Syrern nur noch subsidiären Schutz, nicht
       aber Asyl nach der Genfer Flüchtlingskonvention zu gewähren.
       
       Vor Berlins Verwaltungsgerichten sind wegen dieser Praxis derzeit knapp
       4.000 Klagen von Syrern anhängig. Im März 2016 hatte die Bundesregierung
       die Rechte von Flüchtlingen mit subsidiärem Schutz eingeschränkt und ihnen
       für zwei Jahre – bis März 2018 – untersagt, ihre Familien nach Deutschland
       nachzuholen. Bis dahin hatten Syrer überwiegend Asyl nach der Genfer
       Flüchtlingskonvention bekommen und wären damit von der Verschärfung nicht
       betroffen gewesen. Nach der Gesetzesänderung änderte das BAMF aber seine
       Praxis: Fortan bekamen Syrer meist nur subsidiären Schutz. Seither häufen
       sich die Klagen gegen Entscheide – nicht nur in Berlin.
       
       Im konkreten Fall hatte das BAMF eine Entscheidung der 23. Kammer des
       Verwaltungsgerichts angefochten. Die hatte im März einer Syrerin Recht
       gegeben, die gegen die Entscheidung des Bundesamtes geklagt hatte, ihr nur
       subsidiären Schutz zuzuerkennen. Die Klägerin habe „Anspruch auf die
       Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft“, so das Gericht damals. Zwar sei
       sie in der Tat „unverfolgt“ aus Syrien ausgereist – im Asylverfahren hatte
       sie als Fluchtgründe den Krieg und die Zukunft ihrer Kinder angegeben. Doch
       spreche „Überwiegendes dafür“, dass „schon die Asylantragstellung für das
       syrische Regime ausreichend Anlass ist, um Rückkehrern eine oppositionelle
       Gesinnung“ zu unterstellen, was „mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit“ zu
       einer „Verfolgung, insbesondere einer Befragung unter Folter“ führen könne.
       
       ## Keine Revision zugelassen
       
       Das OVG folgte nun dieser Einschätzung nicht und schloss sich damit der
       Rechtspraxis in anderen Bundesländern an. So hatte etwa im Februar das OVG
       in Münster (NRW) ebenfalls entschieden, dass Bürgerkriegsopfer aus Syrien
       keinen generellen Anspruch auf Anerkennung als Flüchtlinge nach der Genfer
       Konvention haben. Die Berliner Richter haben gegen ihre Entscheidung keine
       Revision beim Bundesverwaltungsgericht zugelassen. Damit kann das Berliner
       Urteil Signalwirkung für viele ähnlich gelagerte Fälle der rund 4.000
       anhängigen Klagen von SyrerInnen haben, die in absehbarer Zeit nicht mit
       Entscheidungen zu ihren Gunsten rechnen können.
       
       Anwältin Berenice Böhlo, die einige Syrer vor Gericht vertritt, merkt an,
       dass die Entscheidung des Gerichts auf dem Einzelfall einer Syrerin beruht.
       „Man kann daraus nichts ableiten für die große Gruppe derjenigen, die sich
       durch Flucht etwa dem Dienst in der syrischen Armee entzogen haben“, so die
       Rechtsanwältin.
       
       Eine weitere Hoffung bleibt den Flüchtlingen noch: Findet sich bis März
       2018 keine entscheidungsfähige Bundesregierung zusammen, läuft die
       bisherige Regelung zum ausgesetzten Familiennachzug einfach aus.
       
       22 Nov 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Susanne Memarnia
   DIR Alke Wierth
       
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