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       # taz.de -- Keime im Trinkwasser in Hildesheim: Erst abkochen, dann Zähne putzen
       
       > Im Landkreis Hildesheim müssen Anwohner seit Wochen ihr Trinkwasser
       > abkochen, weil es mit Keimen belastet ist. Die Ursache ist noch unklar.
       
   IMG Bild: Seit September voller Keime: das Trinkwasser in Teilen des Kreises Hildesheim.
       
       Hannover taz | Zähne putzen oder das Gemüse waschen ist im Haus von Birgit
       Schmidt* gerade umständlich. Das Wasser aus dem Hahn darf sie dafür schon
       seit dem 20. September nicht mehr benutzen. Seither heißt es: das Wasser
       entweder minutenlang abkochen und dann abkühlen lassen oder gleich
       Wasserflaschen im Supermarkt kaufen. Denn in Teilen des Landkreises
       Hildesheim ist das Leitungswasser verunreinigt. Und das zuständige
       Überlandwerk Leinetal kann seit über zwei Monaten die Ursache in seinen
       Wasserleitungen nicht finden.
       
       Immerhin soll es sich bei der Verunreinigung um sogenannte Umweltkeime
       handeln, „die nicht aus dem Darm von Menschen oder Tieren stammen“,
       schreibt das Gesundheitsamt des Kreises in der Antwort auf die Fragen der
       taz. Das habe eine DNA -Analyse ergeben. Die Umweltkeime stammten womöglich
       von Pflanzenresten. Wie diese in die Leitungen kommen, das weiß die Behörde
       nicht.
       
       Vom Abkochgebot betroffen sind rund 17.300 Menschen in 18 Ortschaften. Dazu
       gehören die Gemeinden Duingen, Eime, Elze und Gronau. Zu Beginn der
       Verunreinigungen waren es 26.000 Menschen, aber an einigen Orten zeigten
       die Spülungen der Leitungen durch den Wasserversorger schon Wirkung.
       
       Drei Mal müssen die Proben keimfrei sein. Erst dann darf das Überlandwerk
       Leinetal die Warnung für das Trinkwasser aufheben. Das hat seit September
       nicht geklappt.
       
       Schmidt ist deshalb besorgt. Die Hausärztin hat eine Praxis in der Region.
       Viele ihrer Patienten wüssten gar nichts von dem Abkochgebot – oder sie
       vergessen es. „Das Wasser sieht ja harmlos aus“, sagt Schmidt. Auch für sie
       selbst sei es ein „sehr komisches Gefühl“, dass das Wasser, mit dem sie
       weiterhin duscht und die Wäsche wäscht, belastet ist.
       
       Das Gesundheitsamt versucht zu beruhigen: Nur bei Menschen mit schwachem
       Immunsystem könnten die Umweltkeime „manchmal und nicht regelmäßig“
       Krankheiten auslösen. „Es kann davon ausgegangen werden, dass die
       nachgewiesenen coliformen Bakterien bei Gesunden in der Regel keine
       Infektion auslösen.“ Offizielle Meldungen über Fälle von Erkrankungen gebe
       es bisher nicht.
       
       Schmidt hat in ihrer Praxis etwas anderes erlebt. Es kämen mehr Patienten
       mit Symptomen wie Kopf- und Magenschmerzen, gerötetem Rachen und leichter
       Übelkeit zu ihr. „Wir vermuten eigentlich virale Infektionen“, sagt sie.
       Aber es sei auch nicht ausgeschlossen, dass das Wasser einen Einfluss
       darauf habe.
       
       Schmidt glaubt nicht daran, dass die Verunreinigungen auf Pflanzenreste
       zurückzuführen sind. „Ich sehe die Ursache in der Mast und in der Gülle“,
       sagt sie. In ihrer Umgebung gebe es viele landwirtschaftliche Betriebe. Aus
       Neugier schickte sie selbst Proben aus dem Brunnen in ihrem Garten in ein
       Labor. Der sei zehn Meter tief und reiche bis zum Grundwasser hinunter.
       
       Das Ergebnis war für Schmidt erschreckend: Coliforme Bakterien hatten auf
       100 Milliliter einen Wert von 65. Der Grenzwert für Trinkwasser liegt bei
       null. Es dürfen also keine solchen Keime im Wasser sein. Schmidt gießt
       damit allerdings nur die Blumen. „Das zeigt, dass das ganze Wasser
       verseucht ist“, sagt sie. „Ob die Böden hier so belastet sind, dass wir das
       nicht mehr raus kriegen?“
       
       Dem Landkreis ist nichts darüber bekannt, dass das Grundwasser mit Keimen
       belastet ist. In einen Brunnen könne Schmutz gelangen. Auch sei nicht klar,
       ob die Wasserprobe fachgerecht entnommen worden sei. „Zudem kann die
       Wasserqualität im Brunnen indirekt durch in das oberflächennahe Grundwasser
       gelangte Nitrate beeinflusst werden“, schreibt eine Sprecherin des
       Landkreises. Einen Zusammenhang zum belasteten Trinkwasser gebe es aber
       nicht.
       
       *Name geändert
       
       26 Nov 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andrea Scharpen
       
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