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       # taz.de -- Messerangriff auf Altenaer Bürgermeister: „Ich mache weiter“
       
       > Der Angreifer habe sich über Flüchtlinge beschwert und zugestochen, so
       > der Bürgermeister. Über Nacht habe er Hassmails erhalten.
       
   IMG Bild: „Ich habe um mein Leben gefürchtet“: Beim Angriff wurde Hollstein am Hals verletzt
       
       Altena/Berlin taz | Um 11 Uhr sitzt Andreas Hollstein schon wieder im
       Rathaus, Kameras richten sich auf ihn. „Ich hätte auf diese Publicity
       nachhaltig verzichten können“, sagt der 54-jährige Bürgermeister von
       Altena, schon wieder gefasst wirkend. Nur dank der Hilfe zweier Mitbürger
       könne er heute hier sitzen. Nach seiner Krebserkrankung habe er ein zweites
       Leben geschenkt bekommen, fährt der CDU-Mann fort. „Gestern Abend habe ich
       ein drittes geschenkt bekommen.“
       
       An jenem Vorabend war er in einem Altenaer Döner-Imbiss [1][schwer
       attackiert worden]. Der 56-jährige Angreifer, nach taz-Informationen
       ebenfalls aus Altena, hatte ein Gespräch des Bürgermeisters belauscht.
       „Sind Sie der Bürgermeister?“, soll der Angreifer nach Hollsteins
       Schilderung plötzlich dazwischengegangen sein. Unvermittelt habe der Mann
       ein Messer gezogen und dem Bürgermeister eine 15 Zentimeter lange
       Schnittwunde am Hals zugefügt. Dabei beschwerte sich der Angreifer, dass
       Hollstein Flüchtlinge nach Altena hole, „und ich muss dursten“.
       
       Hollstein berichtete, wie er selbst das Messer des Angreifers zur Seite
       gedrückt und mit den zwei Imbissbetreibern, Vater und Sohn, den Mann zu
       Boden gerungen habe. Dort hielten sie ihn bis zum Eintreffen der Polizei
       fest. „Erschieß mich doch“, soll der Messerstecher einem Beamten zugerufen
       haben. Dann wurde er festgenommen.
       
       Nach taz-Informationen soll der Täter angetrunken gewesen sein, aber nicht
       schwer alkoholisiert. Eine politische Vorgeschichte des Mannes sei nicht
       bekannt, hieß es vorerst aus Ermittlerkreisen. Dennoch stuften Polizei und
       Staatsanwaltschaft die Tat als politisch motiviert ein – wegen der Äußerung
       des Angreifers bei der Tat.
       
       ## „Das Messer war für mich gedacht“
       
       Hollstein wurde nur leicht am Hals verletzt, nach einer Behandlung konnte
       er das Krankenhaus wieder verlassen. „Ich habe um mein Leben gefürchtet“,
       sagt der Bürgermeister auf der Pressekonferenz. „Ich habe großes Glück
       gehabt, dass mir die beiden Betreiber zur Hilfe gekommen sind.“ Der
       Angreifer sei ihm nicht bekannt gewesen. Dennoch glaube er, dass die Tat
       gezielt geschah, so Hollstein. „Dass das Messer in der Tasche für mich
       gedacht war, das glaube ich.“
       
       Hollstein steht für eine liberale Flüchtlingspolitik in Altena. Die Stadt
       bei Hagen in NRW, 18.000 Einwohner groß, wurde damit im Oktober 2015, auf
       dem Höhepunkt der Flüchtlingseinreisen, bekannt: Sie nahm statt der 270
       zugewiesenen Asylbewerber nochmal 102 Menschen mehr auf. Zudem initiierte
       die Stadt das Programm „Vom Flüchtling zum Altenaer Mitbürger“. Dafür
       erhielt die Kommune im Mai den erstmals vergebenen Nationalen
       Integrationspreis. Im Oktober 2015 [2][verübten zwei Altenaer indes auch
       einen Brandanschlag auf eine lokale Flüchtlingsunterkunft], der bundesweit
       Schlagzeilen machte – und der von Hollstein klar verurteilt wurde.
       
       Hollstein selbst berichtet am Dienstag, dass er seit Monaten Hass-Mails
       bekomme. Auch jetzt, nach der Tat, hätten ihn Nachrichten erreicht, in
       denen die Tat begrüßt werde. Hollstein sprach von einem „Werteverfall in
       unserer Gesellschaft“, dem sich viele Kommunalpolitiker ausgesetzt sähen.
       „Genau deshalb werde ich weitermachen.“
       
       ## Solidarität aus ganz Deutschland
       
       Hollstein erreichte am Dienstag bundesweite Solidarität. Bundeskanzlerin
       Angela Merkel (CDU) äußerte sich über ihren Sprecher „entsetzt“ über die
       Tat. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) sagte, man dürfe niemals
       akzeptieren, „dass Menschen attackiert werden, nur weil sie anderen
       helfen“. Auch NRW-Regierungschef Armin Laschet (CDU) betonte, Gewalt gegen
       Bürgermeister, die sich um das Wohl ihrer Stadt kümmerten, sei
       verabscheuungswürdig.
       
       Eine Botschaft kam auch von Henriette Reker, parteilose Oberbürgermeisterin
       von Köln. Ein solches Attentat verändere das Leben, „aber es darf nicht
       unser Verhalten ändern“. Die Gesellschaft müsse ihre Offenheit verteidigen.
       „Denn Hass und Gewalt sind keine Lösung, sie sind das Problem.“ Reker wurde
       2015 selbst Opfer eines Messerangriffs durch einen Rechtsextremen, der ihre
       Flüchtlingspolitik kritisiert hatte.
       
       28 Nov 2017
       
       ## LINKS
       
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   DIR Konrad Litschko
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