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       # taz.de -- Verfassungsbeschwerde zu Gefängnissen: Anrufen soll billiger werden
       
       > In Gefängnissen zahlen Insassen mehr fürs Telefonieren als außerhalb.
       > Eine Beschwerde vor dem Verfassungsgericht war nun erfolgreich.
       
   IMG Bild: Oft überteuert: Telefonieren im Gefängnis
       
       Häftlinge in deutschen Gefängnissen können in Zukunft vielleicht billiger
       telefonieren: Das Bundesverfassungsgericht hat der Beschwerde eines
       Gefangenen aus Schleswig-Holstein stattgegeben, die sich gegen hohe
       Gebühren in den Justizvollzuganstalten richtete. Zwar müssten Telefone den
       Gefangenen „nicht entgeltfrei zur Verfügung gestellt werden“, heißt es in
       dem Beschluss. „Allerdings dürfen die Gefangenen auch nicht mit Entgelten
       belastet werden, die deutlich über denen außerhalb des Vollzugs üblichen
       liegen.“
       
       Schon seit Jahren streiten Häftlinge und Strafanwälte auf der einen sowie
       Justizverwaltungen auf der anderen Seite über die Telefongebühren im Knast.
       Viele Bundesländer haben die Telefonanlagen in ihren Gefängnissen an
       private Unternehmen ausgelagert, die die Geräte aufbauen, betreiben und
       warten. Für den Staat ist diese Lösung bequem: Er muss sich nicht um die
       Telefone kümmern und auch nicht für den Service bezahlen. Die Unternehmen
       bekommen ihr Geld von den Gefangenen, die nicht zwischen verschiedenen
       Anbietern auswählen können, sondern die Tarife des jeweiligen
       Dienstleisters schlucken müssen.
       
       Im konkreten Fall hatte ein Häftling der JVA Lübeck geklagt. Die Telefone
       betreibt dort der Marktführer Telio. Eine aktuelle Tarifliste ist nicht
       öffentlich verfügbar, im Juli 2015 verlangte die Firma jedoch 5 Cent pro
       Minute für Orts- und 15 Cent für Ferngespräche. Anrufe ins Ausland kosteten
       bis zu 1,79 Euro pro Minute, die erste Minute jeweils das Doppelte. Der
       Beschwerdeführer kam so nach eigenen Angaben auf eine Telefonrechnung in
       Höhe von 80 Euro im Monat.
       
       Das Oberlandesgericht Schleswig-Holstein verwarf seine Beschwerde zunächst
       als unbegründet, der Häftling wandte sich daraufhin erfolgreich ans
       Bundesverfassungsgericht. Nach Ansicht der Richter dort muss die JVA beim
       Outsourcing der Telefonanlagen „sicherstellen, dass der ausgewählte private
       Anbieter die Leistung zu marktgerechten Preisen erbringt“. Das
       Oberlandesgericht müsse jetzt neu über die Angelegenheit entscheiden und
       dürfe dabei wegen des Resozialisierungsgebots „die finanziellen Interessen
       des Beschwerdeführers nicht missachten“.
       
       ## Preissenkung oder Subvention
       
       In Schleswig-Holstein verwies das Justizministerium in einer ersten
       Reaktion darauf, dass es bei Neuausschreibungen in anderen JVAs bereits
       niedrige Tarife erreicht habe. Für Lübeck sei das auch geplant. Der
       aktuelle Vertrag mit Telio läuft dort aber noch bis 2021, einen vorzeitigen
       Ausstieg plane das Ministerium derzeit nicht, zumal das Gerichtsverfahren
       durch die Zurückweisung ans Oberlandesgericht noch nicht abgeschlossen sei.
       
       Der Strafverteidiger Jan Oelbermann hatte einen Mandanten in einem
       ähnlichen Verfahren in Sachsen-Anhalt vertreten. Dort urteilten die
       Gerichte zugunsten des Häftlings. „Die JVA ist daraufhin auf den
       Telefonanbieter zugegangen. Der Anbieter hat den Tarif dann ein wenig
       gesenkt, aber nicht ausreichend“, sagt Oelbermann. Der Fall landete erneut
       vor Gericht, vor drei Wochen bekam der Häftling erneut recht. Theoretisch
       haben die Justizverwaltungen in solchen Fällen zwei Möglichkeiten: Entweder
       sie bewegen die Telefonanbieter zu einer erneuten Preissenkung, zu der
       diese vertraglich aber nicht verpflichtet sind. Oder sie subventionieren
       die Telefonate, um so die Gebühren der Häftlinge zu senken.
       
       28 Nov 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Tobias Schulze
       
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