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       # taz.de -- Eklat in Bolivien: Opposition spricht von „Staatsstreich“
       
       > Boliviens Verfassung sieht vor, dass der Präsident nur einmal
       > wiedergewählt werden darf. Für Evo Morales soll das plötzlich nicht mehr
       > gelten.
       
   IMG Bild: Der am längsten amtierende Präsident in der Geschichte Boliviens könnte noch länger bleiben: Evo Morales
       
       La Paz dpa | Das bolivianische Verfassungsgericht hat entgegen der
       Bestimmungen in der eigenen Verfassung den Weg freigemacht für eine erneute
       Kandidatur von Staatspräsident Evo Morales im Jahr 2019. Es entschied am
       Dienstag in La Paz, dass Morales noch einmal antreten darf. Die Verfassung
       untersagt bisher eine zweite Wiederwahl. Zudem hatte Morales 2016 ein
       Referendum verloren, in dem das Volk mit knapper Mehrheit Nein gesagt hatte
       zu einer erneuten Wiederwahl.
       
       „Es hat einen Staatsstreich gegen die Demokratie gegeben“, sagte
       Oppositionschef Samuel Doria Medina von der konservativen Partei „Nationale
       Einheit“ (UN) zu dem Urteil des von den Sozialisten dominierten Gerichts.
       Damit werde der Wille des Volkes missachtet.
       
       Der Generalsekretär des Gewerkschaftsdachverbandes COB, Guido Mitma,
       kritisierte: „Das ist ein besorgniserregendes Urteil, weil das
       Verfassungsgericht die Verfassung des Staats nicht respektiert.“
       
       Eine Gruppe von Abgeordneten von Morales Partei „Bewegung zum Sozialismus“
       (MAS) hatten den Antrag gestellt, vier Artikel der Verfassung zu
       modifizieren, die bisher nur eine einmalige Wiederwahl vorsieht. Mit dem
       Urteil wurden auch Wiederwahlmöglichkeiten für Gouverneure, Bürgermeister,
       Abgeordnete und Senatoren ausgeweitet.
       
       Als Lehre aus der Zeit der Diktaturen in Südamerika sehen die Verfassungen
       in der Regel nur sehr begrenzte Wiederwahlmöglichkeiten vor, auch um
       Ämterpatronage und eine zu starke Beeinflussung der Justiz zu verhindern.
       Der Sozialist ist bereits heute der am längsten amtierende Präsident in der
       Geschichte des 1825 vom spanischen Kolonialreich unabhängig gewordenen
       Landes – dank einiger Winkelzüge.
       
       ## 200 Jahre Unabhängigkeit
       
       Der frühere Kokabauer wurde erstmals im Jahr 2006 gewählt. Er ließ eine
       neue Verfassung erarbeiten – mit dieser wurde er 2010 im Amt bestätigt.
       Erlaubt war demnach nur eine Wiederwahl, 2015 konnte Morales erneut die
       Wahl gewinnen. Nun könnte er aber 2019 wieder antreten und von 2020 bis
       2025 Präsident bleiben. Morales großer Traum ist es, zur Feier von 200
       Jahren Unabhängigkeit 2025 noch im Amt zu sein. Die Opposition wirft ihm
       einen zunehmend autoritären Kurs vor, zudem leiste er einem Personenkult
       Vorschub.
       
       Er ist oft von morgens bis abends unterwegs, um Straßen, Kraftwerke und
       Schulen zu eröffnen, er übt den engen Schulterschluss mit den sozialen
       Bewegungen. Die Armut konnte verringert werden.
       
       Bolivien weist seit Jahren mit die höchsten Wachstumsraten der Welt auf,
       auch dank der Einnahmen aus dem verstaatlichen Gasgeschäft. In La Paz mit
       seiner gebirgigen Topographie entstand das größte urbane Seilbahnnetz der
       Welt als eine neue Form des klimafreundlichen Verkehrsmittels im 21.
       Jahrhundert.
       
       „2005 hatten wir öffentliche Investitionen von 600 Millionen Dollar, heute
       sind es 8 Milliarden“, sagt Morales. Im Salar de Uyuni bauen Chinesen für
       die Bolivianer eine große Anlage zur Kaliumproduktion. In dem riesigen
       Salzsee soll, auch mit deutscher Hilfe, auf rund 40 Quadratkilometern
       außerdem ein Förderkomplex zur Gewinnung von Lithium entstehen – es gibt
       hier die größten Reserven der Welt.
       
       29 Nov 2017
       
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