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       # taz.de -- Sexuelle Belästigung in US-Medien: Kurzer Prozess im Sendebetrieb
       
       > Der Fall Weinstein hat sensibilisiert: Auch im US-Radio und -Fernsehen
       > müssen Stars gehen, die sexuell übergriffig gewesen sein sollen.
       
   IMG Bild: Einer geht, einer bleibt: Matt Lauer (damals noch bei NBC) und Donald Trump
       
       New York taz | Medienschaffende, aufgepasst! Am Mittwoch sind in den USA
       erneut zwei Top-Arbeitsplätze im Fernsehen und Radio freigeworden. Die
       bisherigen Stelleninhaber waren Stars mit riesigen Fangemeinden. Beide
       werden sexueller Übergriffe beschuldigt.
       
       Bei Matt Lauer (59), der jahrzehntelang ein Millionenpublikum im
       Fernsehsender NBC in den Tag führte, vergingen nur 36 Stunden zwischen der
       Beschwerde einer Kollegin, die am Montagabend mit einem Anwalt zur
       Personalabteilung ging, und seiner fristlosen Entlassung wegen
       „unangemessenen sexuellen Benehmens am Arbeitsplatz“. Vermutlich sei es
       keine isolierte Handlung gewesen, sagte NBC-Chef Andy Lack.
       
       Bei Gerrison Keillor (75) hingegen, einem Spezialisten für skurrile
       Geschichten, die auf vielen Sendern des National Public Radio laufen, nahm
       sich das öffentliche Radio ein paar Wochen Zeit. Ein externes Anwaltsbüro
       wurde mit der Prüfung der Vorwürfe einer Frau beauftragt, bevor die
       Zusammenarbeit endete. Noch am letzten Tag vor seiner Entlassung hatte
       Keillor in einem Meinungsartikel für die Washington Post geschrieben, es
       sei eine „Absurdität“, den Rücktritt des demokratischen Senators Al Franken
       zu verlangen. Mehrere Frauen werfen dem Senator sexuelle Übergriffe vor.
       
       Lauer und Keillor sind die jüngsten Beispiele für den neuen radikalen
       Umgang von US-Medien mit sexuellem Fehlverhalten in ihren Reihen. Noch bis
       vor wenigen Monaten wurden solche Vorwürfe entweder nicht bekannt oder es
       floss Geld, um Schweigen zu erkaufen. Der rechte Sender Fox zahlte
       Millionen Dollar, um Frauen, die sich über sexuelle Belästigung durch Stars
       des Senders beschwerten, daran zu hindern, an die Öffentlichkeit zu gehen.
       
       ## Weinstein und die Folgen
       
       Doch der Fall des Hollywood-Produzenten [1][Harvey Weinstein im Oktober]
       hat vieles geändert. Damals zeigten eine halbe Million Tweets binnen 24
       Stunden und die Wiederbelebung [2][des Hashtags #Metoo], dass die USA reif
       für das Thema waren. Seither kommen beinahe täglich neue Berichte über
       sexuelle Übergriffe und Belästigungen in die Medien.
       
       Und nicht nur Hollywood, sondern auch die Medien selbst machen nun kurzen
       Prozess mit den Übeltätern. Dabei sind schon mehrere journalistische Stars
       abgestürzt. Unter anderem wurden die beiden prominenten Fernsehjournalisten
       Mark Halperin (MSNBC) und Charlie Rose (CBS und PBS) fristlos entlassen,
       als bekannt wurde, dass sie jahrelang Frauen sexuell belästigt haben
       sollen. Die New York Times hat Glenn Thrush, einen ihrer Korrespondenten im
       Weißen Haus, aus demselben Grund vom Dienst suspendiert.
       
       Moderator Lauer ist der bislang prominenteste gefallene Medienstar. Er war
       eines der bekanntesten TV-Gesichter, mit 25 Millionen Dollar im Jahr einer
       der bestbezahlten Journalisten des Landes und seine Sendung „Today“ war mit
       hohen Werbeeinnahmen die Cash-Cow des Senders. Lauer hat Filmstars
       interviewt, von den Olympischen Spielen berichtet und eine Fernsehdebatte
       zwischen Hillary Clinton und Donald Trump moderiert.
       
       ## Alles wackelt, nur Trump nicht
       
       Schon jetzt ist klar, dass die Frau, die sich über seine sexuellen Angriffe
       beschwert hat, nicht allein ist. Die Zeitschrift Variety hat recherchiert,
       dass er weitere Kolleginnen sexuell belästigt haben soll. Der
       Radio-Humorist und Geschichtenerzähler Keillor hat ein anderes, viel
       urbaneres und politisch eher links stehendes Publikum mit seinem legendären
       Programm „A Prairie Home Companion“ bedient, dessen Name jetzt geändert
       werden soll.
       
       Lauer hat sich zu den Vorwürfen bislang nicht geäußert. Keillor hingegen
       bestreitet, dass er Fehler gemacht hat, die seine Entlassung rechtfertigen.
       Er habe der Kollegin an den Rücken gefasst, um sie zu trösten, habe sich
       jedoch später bei ihr entschuldigt. „Wir waren Freunde“, sagte er in einer
       ersten Reaktion, „bis ihr Anwalt anrief.“
       
       Im Vergleich zur Filmindustrie und den Medien ist der politische Betrieb in
       Washington immer noch ein sicherer Platz für Männer, die sexuell
       belästigen. Trump wurde zum Präsidenten gewählt, obwohl er geprahlt hatte,
       Frauen zu begrabschen und obwohl 16 Frauen mit Details über sein sexuelles
       Fehlverhalten an die Öffentlichkeit gegangen waren. Aus dem Weißen Haus
       [3][unterstützt er gegenwärtig einen republikanischen Kandidaten] für
       Nachwahlen zum Senat in Alabama, gegen den Pädophilie-Vorwürfe erhoben
       werden.
       
       30 Nov 2017
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /!5454208
   DIR [2] https://twitter.com/search?q=%23MeToo&src=typd
   DIR [3] /!5466385
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Dorothea Hahn
       
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