# taz.de -- Waldrodung in Schweden: Zertifiziert, aber falsch
> Papierfirmen kritisieren Forstkonzerne in Schweden – und drohen mit
> Boykott. Der Grund ist Waldrodung, die sich mit einem
> Nachhaltigkeitslabel schmückt.
IMG Bild: Weniger als 10 Prozent der ursprünglichen schwedischen Naturwälder sind noch übrig
Stockholm taz | „Schweden gehört zu den Schlimmsten“, sagt Sebastian
Kirppu: Es gebe wenige Länder, die mit dem Ökosystem ihrer Wälder so
rücksichtslos umgesprungen seien „wie wir in den letzten 50, 60 Jahren mit
unserer großindustriellen Kahlschlag-Forstwirtschaft“. Wald könne man das
meiste nicht mehr nennen, „das sind Plantagen, Monokulturen, Holzäcker“.
Weniger als 10 Prozent der ursprünglichen schwedischen Naturwälder seien
noch übrig und auch die würden immer weniger, schätzt der 2011 als
„Umweltheld des Jahres“ geehrte Biologe. Das aktuellste Beispiel: In
Dalarna holzte der staatliche Forstkonzern Sveaskog, Schwedens größter
Waldbesitzer, große Teile eines 800 Hektar großen Gebiets ab, obwohl
internationale Experten dort 26 vom Aussterben bedrohte Tier- und
Pflanzenarten gefunden hatten, die besonders schützenswert sind.
Sveaskog ist für angeblich nachhaltige Forstwirtschaft FSC-zertifiziert.
Holzprodukte aus solchen Rodungen tragen daher dieses Label. Schon im
September hatte Greenpeace kritisiert, dass schützenswerte Altwälder zu
Papiertaschentüchern, Küchenrollen und Toilettenpapier verarbeitet und dann
mit dem FSC- oder PEFC-Zertifikat vermarktet werden.
Die schwedische „Skydda Skogen“ hat nun zusammen mit der deutschen „Robin
Wood“ einen offenen Brief initiiert, in dem VertreterInnen von 70
FSC-Unternehmen von der schwedischen Regierung und den FSC-zertifizierten
Forstkonzernen Sveaskog, SCA und Stora Enso fordern, die Rodung alter und
artenreicher Wälder zu stoppen. Was in Schweden geschehe, sei „nicht
akzeptabel“ und „schadet der Glaubwürdigkeit des FSC“.
## Ein freiwilliges System
Komme es nicht zu einem wirksamen Schutz, müssten die Unternehmen den
Handel mit schwedischen Holzprodukten überdenken. Indirekt drohen die
Firmen damit mit Boykott: „Wenn unsere Bedingungen nicht erfüllt werden“,
schreiben sie, „werden wir darüber nachdenken, den Handel mit schwedischen
Papier- und Holzerzeugnissen auszusetzen.“ Firmen, die noch keine Produkte
aus Schweden beziehen, würden dies auch in Zukunft nicht tun.
„Es ist sehr problematisch, dass einige schwedische Forstunternehmen sich
als nachhaltig inszenieren, während sie in Wahrheit alte und artenreiche
Wälder kahlschlagen“, sagt „Robin Wood“-Waldreferent Jannis Pfendtner. Die
schwedische Naturschutzvereinigung kritisiert seit Jahren, dass die
Forstkonzerne schützenswerten Wald roden, obwohl sie dem FSC angeschlossen
sind, und kündigte zwischenzeitlich die Zusammenarbeit mit dem von ihr als
zahnlos eingestuftem Zertifikationssystem auf.
„Es ist unheimlich traurig, dass diese Label nicht funktionieren“, sagt
auch Sebastian Kirppu: „Die holzen weiter wertvollen Wald ab und nennen
das auch noch umweltzertifiziert.“ Leider sei das üblich geworden, meint
Stina Bergström, Reichstagsabgeordnete der grünen Miljöpartiet: Aber die
Zertifikate seien ein freiwilliges System, darauf habe die Politik keinen
Einfluss. Und für eine Verschärfung der Gesetzgebung gebe es derzeit keine
parlamentarische Mehrheit: „Wir brauchen eine gesellschaftliche Debatte.“
1 Dec 2017
## AUTOREN
DIR Reinhard Wolff
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DIR Wald
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