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       # taz.de -- Debütalbum von Spirit Fest: Kuscheln im Kollektiv
       
       > Ihre Musik schießt psychedelische Sonnenstrahlen durch die Winterkälte.
       > Mit dabei sind Markus und Micha Acher, die Bands Tenniscoats und Aloa
       > Input.
       
   IMG Bild: Bei einer Spirit-Fest-Session im Münchner Wohnzimmerstudio
       
       „Rain rain on every window in the street / Rain rain on me / Rain rain says
       / We are plenty, you’re alone / Rain rain on me“, singt Markus Acher auf
       dem umwerfenden Debütalbum der Gruppe Spirit Fest. Und wie dabei der Sound
       pointilistisch warm auf die Hörer tröpfelt, fragt man sich, ob dieser Regen
       nicht sogar ein bisschen tröstlich ist.
       
       Acher hat solche Musik, in der Zweifel und Trost in eins fallen, schon
       öfter gemacht: Er ist, gemeinsam mit seinem Bruder Micha, Konstante der
       Münchner Indie-Band The Notwist und daneben in unzählige Formationen
       involviert, wie das HipHop-Projekt 13&God. Spirit Fest gehen deshalb als so
       etwas wie die internationale Supergroup des Dream-Pop durch. „Ausgangspunkt
       war die Musik der Tenniscoats, von denen ich schon lange großer Fan bin.
       Ihre Musik berührt mich sehr, und auch ihre Fähigkeit, mit sparsamer
       Instrumentierung, meist Gesang und Gitarre, sehr intensive Songs zu
       machen“, schreibt Acher in einer Mail.
       
       Tenniscoats, ein japanisches Avant-Psychedelic-Folk-Duo, sind hierzulande
       unbekannt. Acher stieß bei einer Japan-Tour mit Lali Puna, Band seiner
       Lebensgefährtin Valerie Trebeljahr, auf die beiden Musiker Saya und Ueno.
       Schon ging er verloren in deren Klangkosmos aus einem jenseitigen, intimen
       LoFi-Pop und dem Konzept, sich anderen Mitspielern vollständig zu öffnen.
       Tenniscoats geben ihren Gästen – etwa die Schotten The Pastels und Deerhoof
       aus San Francisco – enorm viel Raum. Ihre spezifische Formensprache
       entsteht eher durch das Kuratieren von Sounds als durch kompositorische
       Dominanz.
       
       Acher war von diesem Konzept so begeistert, dass er die beiden Musiker
       vergangenes Jahr zu dem Alien-Disko-Festival an die Münchner Kammerspiele
       einlud. Für das Projekt Spirit Fest, wozu sie sich zu diesem Anlass
       zusammenfanden, traten weitere Akteure hinzu, etwa der Londoner Matt Fowler
       von der Psych-Folkband Jam Money, Cico Beck von der
       New-Weird-Bavaria-Institution Aloa Input.
       
       Aufgenommen und produziert wurde das Debütalbum von Spirit Fest von
       tadklimp, dessen Sound die Berliner DIY-Dream-Pop-Szene um Gruppen wie
       Fenster prägt. „Alle Beteiligten gehen beim Musikmachen experimentell und
       intuitiv zu Werke. Deswegen sind auf dem Album auch viele simple Sounds
       von Drumcomputer, Walkman, Steinen, Piano-Seiten, Harmonium, Samplern zu
       hören“, schreibt Acher. „Nichts war wirklich geplant, Musik und
       Arrangements haben sich beim Improvisieren von ganz alleine ergeben.“
       
       Zwei Wochen im Winter 2016 verbrachten die sechs Musiker dann in einem
       Wohnzimmerstudio in München: Die Atmosphäre muss freundschaftlich und offen
       gewesen sein, alle brachten Skizzen mit, welche kollektiv ausgearbeitet
       wurden, auch die Songtexte auf Japanisch und Englisch sind damals spontan
       während dieser Sessions entstanden. Sie handeln vom Wandern und Fließen, es
       sind romantische Bilder dabei. Und die Musik, bei aller Melancholie,
       schießt psychedelische Sonnenstrahlen durch die Kälte des Winters.
       
       ## Gegen das Engstirnige
       
       Spirit Fest, der Name der Gruppe geht unmittelbar aus diesen Songtexten
       hervor. Selbstverständlich umwebt solche Musik das Übernatürliche: „Saya
       hatte für jedes der japanisch gesungenen Stücke auch einen englischen
       Titel, und der Titel für das Stück ‚Haturi Matsuri‘ war ‚Spirit Fest‘. Es
       geht um einen Geist, der nachts über die Häuser klettert und für die
       Schlafenden singt. Als wir nach einem Namen für die Band gesucht haben, hat
       sie Spirit Fest vorgeschlagen. Es passt sehr gut zu unserem
       Zusammentreffen.“
       
       Es passt auch gut zur Musik, die Spirit Fest gemeinsam kreiert haben – und
       die jetzt, nach der Festivalpremiere 2016, damit zum ersten Mal auf Tour
       geht. Das Jahr, das zwischen den Aufnahmen und diesen Konzerten liegt, war
       keines, das die verträumte, aber zwingende Sanftheit ihrer Musik unnötiger
       gemacht hätte. Muss man sie deshalb als eskapistisch verstehen? „Eher kann
       so eine Combo ja im besten Fall auch immer eine Utopie sein. Zeigen, wie es
       sein könnte und jetzt leider nicht ist“, erklärt Acher. „Tenniscoats sind
       ein Gegenentwurf zu allem Reaktionären, Engstirnigen, Nationalistischen. Es
       wäre schön, gäbe es momentan mehr Künstler wie sie.“
       
       8 Dec 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Steffen Greiner
       
       ## TAGS
       
   DIR Pop
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