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       # taz.de -- Systemrelevante Versicherer: Trump blockiert Liste
       
       > Die Versicherungsbranche, auch in Deutschland, leidet unter niedrigen
       > Zinsen. Der US-Präsident sorgt dafür, dass das System unsicherer wird.
       
   IMG Bild: Als einziges deutsches Unternehmen stand bisher der Allianz-Konzern auf der Liste der systemrelevanten Versicherer
       
       Berlin taz | Donald Trump bewegt auch die Versicherungswirtschaft in aller
       Welt. Die scheint dank dem US-Präsidenten plötzlich so stabil zu sein wie
       seit Jahren nicht mehr: Seit 2013 gibt es jedes Jahr eine Liste der
       systemrelevanten Versicherer, die also so groß sind, dass sie ganze
       Volkswirtschaften mit in die Knie zwingen können, falls sie pleitegehen.
       Neun waren das zuletzt, aus Deutschland die Allianz.
       
       In diesem Jahr gibt es keine neue Liste. Das gab der in Basel ansässige
       Finanzstabilitätsrat (FSB) bekannt, nach Rücksprache mit den
       Aufsichtsbehörden in 140 Ländern. Die leere Liste ist aber kein Zeichen für
       stabile Finanzmärkte. Schuld ist die Regierung in Washington, die
       eigenmächtig den größten US-Versicherer, die AIG, von der Liste strich.
       
       Der Konzern war 2008 tief in die Finanzkrise verstrickt und wurde von der
       US-Regierung mit mehr als 180 Milliarden Dollar gerettet. Damit war die
       American International Group, kurz AIG, der größte Pleitefall, noch vor
       Lehman Brothers. AIG stand seither unter staatlicher Beobachtung. Doch im
       Oktober wurde der Versicherer überraschend von den US-Behörden als nicht
       mehr systemrelevant eingestuft.
       
       Der Konzern leidet wie andere Branchengrößen nicht nur unter den
       Wirbelstürmen, die AIG im dritten Quartal einen Nettoverlust von 1,75
       Milliarden Dollar bescherten. Auch deutschen Konzernen macht neben hohen
       Schadensquoten und geringem Wachstum der Beitragseinnahmen die lange Phase
       niedriger Zinssätze zunehmend zu schaffen, wie der am Dienstag von der
       Unternehmensberatung Sopra Steria in Hamburg vorgestellte „Branchenkompass
       Insurance 2017“ zeigt.
       
       Die Versicherer stecken dadurch in einem Dilemma: Mit als sicher geltenden
       Geldanlagen wie Staatsanleihen lässt sich kaum noch was verdienen. Aktien
       und Wertpapiere versprechen höhere Renditen, aber auch mehr Risiko. Die
       staatlichen Regulierungen erlauben deshalb Versicherern nur einen maximalen
       Anteil von 10 Prozent an diesen Geldanlagen.
       
       Klassische Produkte wie die Kapitallebensversicherung stehen daher in
       vielen Unternehmen vor dem Aus. Zwar gaben gestern die französische Axa,
       ebenfalls ein systemrelevanter Versicherer, und die Allianz bekannt, die
       Verträge 2018 mit 2,9 und 2,8 Prozent zu verzinsen. Fest garantiert sind
       bei neuen Vertragen allerdings nur noch 0,9 Prozent. Dazu kommt die neue
       Konkurrenz der Insurtechs, digitaler Jungunternehmen, die auf die veraltete
       IT-Strukturen der alteingesessenen Firmen treffen. Auf der Wunschliste an
       die neue Bundesregierung steht daher eine Aufweichung der Auflagen für die
       Finanzreserven ganz oben.
       
       Auch international wird aus den genannten Gründen auf eine Lockerung der
       Spielregeln gehofft. Dabei ist das letzte Regelwerk, „Solvency II“, noch
       gar nicht vollständig umgesetzt. Der Finanzstabilitätsrat will jetzt eine
       neue Methode einführen, anhand deren er feststellt, ob ein Versicherer
       systemrelevant ist. Es sind Empfehlungen, die Aufsichtsbehörden in der
       Regel weltweit umsetzen.
       
       Konkret soll die Aufsicht anhand der Anlagestrategie von Versicherern
       entscheiden, wie systemrelevant sie sind. Bei den Banken gibt es schon
       länger eine Liste der möglichen Gefährder, die dann mehr Eigenkapital als
       Sicherheitspuffer vorrätig halten müssen. Beobachter wie das Fachblatt
       Reinsurance sehen daher in der leeren Liste einen Erfolg der
       Versicherungslobby. Erst im November 2018 will der Finanzstabilitätsrat
       dann die Lage erneut prüfen.
       
       6 Dec 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Hermannus Pfeiffer
       
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