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       # taz.de -- Leipziger Arztserie „In aller Freundschaft“: Kein Sächsisch in der Sachsenklinik
       
       > Die TV-Serie „In aller Freundschaft“ geht bereits in die 21. Staffel.
       > Dabei vergisst man schnell, dass die beliebte Weißkittelserie in Leipzig
       > spielt.
       
   IMG Bild: In der 800. Folge von „In aller Freundschaft“ erkennt man sofort die Erfurter Krämerbrücke
       
       Leipzig taz | Da war er, der Rathausturm. Und da, das City-Hochhaus. Man
       muss schnell schauen, wenn man im Vorspann zur Fernsehserie „In aller
       Freundschaft“ etwas von Leipzig erkennen will. Arg kurz ist der Kameraflug
       über der Stadt zu sehen. Wer das schmucke Möchtegernrenaissance- und
       Scheinbarockgebäude, in dem das Bundesverwaltungsgericht tagt, erkennen
       will, wartet am besten auf einen Umschnitt. Beim Szenenwechsel werden
       weitere Luftbilder geliefert.
       
       Die Arztserie über die „Sachsenklinik“, die jeden Dienstag um kurz nach
       neun im Ersten gezeigt wird, ist ein wahres Quotenmonster. Zwischen 5 und 6
       Millionen Zuschauer sehen die Folgen regelmäßig, und regelmäßig schlagen
       die Weißkittel den anderen Quotenrenner der ARD um Längen: die Tagesschau.
       Es sind große Auftritte, die Leipzig da einmal in der Woche hat. Mit
       Lokalkolorit indes wird die Sendung kaum gefärbt.
       
       In der Vorweihnachtsfolge am vergangenen Dienstag durfte Anthony Petrifke,
       der seit Kleinkindesbeinen einen Arztenkel in der Serie mimt, ein paar
       Sätze mehr als üblich sagen. Und – hört, hört! – ein sächsischer Akzent war
       nicht zu überhören. Das ist aber die Ausnahme. Die Serie soll schließlich
       überregional strahlen. In beinahe allen dritten Programmen der ARD läuft
       die Serie. In Bayern ist man gerade bei Folge 602, in Norddeutschland bei
       Folge 377, der MDR wiederholt in dieser Woche die Ausgabe Nummer 528 und
       der Rundfunk Berlin-Brandenburg wiederholt am Sonntag die Folge, die im
       Ersten am Dienstag lief.
       
       „In aller Freundschaft“ ist immer und überall im öffentlich-rechtlichen
       Fernsehen. Es wird beinahe rund um die Uhr vor laufenden Kameras operiert.
       Und kein Notarzt würde sich wundern, wenn er bei der Frage, in welches
       Krankenhaus der gerade abgeholte Patient am liebsten fahren würde, zur
       Antwort bekäme: „In die Sachsenklinik!“
       
       Saxonia Media, die „In aller Freundschaft“ für den Mitteldeutschen Rundfunk
       produziert, hat für die Fans der Serie, die wirklich nicht genug davon
       bekommen können, ein zusätzliches Angebot im Web produziert. „Nachts in der
       Sachsenklinik“ heißen die zehn Folgen, von denen man fünf seit Dienstag im
       Web anschauen kann. Lustig soll das sein. Der korrekte Herrenhumor, der da
       gezeigt wird, ruft gewiss dieselben Kritiker auf den Plan, die nicht müde
       werden, die deutsche Erfolgsserie für ihre Bräsigkeit zu kritisieren, und
       die an ihr grundsätzliche Kritik am öffentlich-rechtlichen Rundfunk
       festmachen.
       
       Vogelgrippe in der „Sachsenklinik“ 
       
       In der Tat mag es für viele schwer zu ertragen sein, wenn der Nachtpförtner
       der Klinik einer Krankenschwester für einen Gefallen, den er ihr getan hat,
       eine Einladung zum gemeinsamen Frühstück abzuluchsen versucht. Die
       Schwester küsst dann ihre Freundin auf den Mund und der Pförtner darf blöd
       schauen.
       
       Nun ja, auch wenn das fast schon aufklärerisch daherkommt, mit dem viel
       beschworenen Bildungsauftrag der Öffentlich-Rechtlichen hat das nur wenig
       zu tun. Egal. Hauptsache, es kommt an. Und so wird die Dauerwerbesendung
       für Leipzig so schnell kein Ende finden. Am 2. Januar geht die 21. Staffel
       an den Start.
       
       Und bei allen persönlichen Dramen der Patienten und ihren Ärzten, werden
       die Produzenten wieder versuchen, die wahren Probleme der Gesellschaft
       außen vor zu lassen, denn damit haben die Macher keine guten Erfahrungen
       gemacht. Als sich der Chefarztenkel einst mit Fieber herumgeschlagen hat,
       stellte sich doch glatt heraus, dass er sich mit der Vogelgrippe infiziert
       hatte. Panikmache wurde der Serie vorgeworfen.
       
       Das soll natürlich nicht mehr vorkommen. Und so bleibt man lieber bei
       Geschichten aus dem persönlichen Umfeld. Da ist das Schlimmste, was
       passiert, die unglückliche Liaison der Chefärztin mit einem
       Wirtschaftskriminellen. So richtig weh darf es eben nicht tun. Selbst der
       Steuerhinterzieher hat seinen Platz in der heilen Welt.
       
       Dabei gäbe es in Leipzig genug Serienstoff mit Netflix-Potenzial. Die
       Eisenbahnstraße könnte das Action-Pendant zur verschnarchten Lindenstraße
       abgeben. Der Wirtschaftskrimi über die Firma Unister ist allemal
       serientauglich und der Politthriller, der den Kampf um Connewitz zum Thema
       hat, dürfte sich eigentlich auch von selbst schreiben. Stattdessen geht es
       munter und gänzlich harmlos „In aller Freundschaft“ weiter. Ob Leipzig das
       verdient hat?
       
       15 Dec 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Rüttenauer
       
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