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       # taz.de -- Streit um Kolonialverbrechen in Kamerun: Die Kunst des Entschuldigens
       
       > In Kameruns größter Stadt sabotiert ein radikaler Aktivist eine
       > französische Kunstinstallation, die an Frankreichs koloniale Verbrechen
       > erinnern soll.
       
   IMG Bild: Straßenmarkt in Douala
       
       Douala taz | Eine ungefähr drei Meter hohe [1][Fotoinstallation] der
       französischen Künstlerin Sylvie Blocher war vor Kurzem an einer
       Straßenkreuzung der kamerunischen Metropole Douala zu sehen. Das Foto zeigt
       Blocher selbst mit einem Pappschild, darauf in Großbuchstaben: „Auch wenn
       ich weiß, dass ich kein Recht dazu habe, möchte ich mich entschuldigen.“
       
       Die überlebensgroße Installation für das internationale Kunstfestival
       „Salon Urbain de Douala“ (SUD) stand nicht einmal 24 Stunden, da wurde sie
       von dem kamerunischen Aktivisten Blaise André Essama zerstört. Mit der
       Unterstützung zweier Helfer stieß er die Fotoinstallation unter dem Beifall
       beistehender Mototaxifahrer um. Zuvor verbrachte der Aktivist zwei Tage im
       Gefängnis, da er sich bereits bei der offiziellen Einweihung des Ortes mit
       den Behörden angelegt hatte.
       
       Essama wirft Blocher vor, ihre privilegierte Stellung als Französin in der
       ehemaligen französischen Kolonie Kamerun ausgenutzt zu haben: „Man kann
       sich nicht entschuldigen, indem man eine neue Wunde aufreißt. Ich kämpfe
       seit Jahren dafür, die Stadt zu dekolonialisieren, kamerunischen Helden und
       Heldinnen Denkmäler zu setzen. Aber die Autoritäten versperren sich und
       unsere Stadt bleibt ein koloniales Produkt. Blocher hat sich diesen Platz
       angeeignet“, erklärt er im Gespräch.
       
       Essama war bereits mehrmals im Gefängnis, da er einer Statue des
       französischen General Le Clerc, der in Kamerun schwere Kolonialverbrechen
       begangen hat, den Kopf abschlug. An derselben Stelle, wo Blocher ihre
       Installation gesetzt hat, versuchte er vergangenes Jahr, eine Pappstatue
       des Unabhängigkeitskämpfers John Ngo Foncha aufzustellen – und wurde daran
       von der Polizei gehindert.
       
       Die Veranstalterin des Festivals SUD, Marylin Douala Manga Bell, bestätigt
       die Schwierigkeiten. Sie kämpft seit geraumer Zeit für die Ehrung ihres
       Urgroßvaters Douala Manga Bell, bekannter Widerstandskämpfer gegen die
       deutsche koloniale Eroberung ab 1905.
       
       Das Vorgehen Essamas kritisiert sie jedoch scharf: „Er ist nicht offen für
       Dialog. Die Installation von Sylvie Blocher sollte lediglich drei Tage an
       der Kreuzung stehen. Es geht hier nicht um ein Monument, sondern um die
       Thematisierung der kolonialen Verbrechen Frankreichs und dem Schweigen der
       französischen Regierung.“
       
       Sylvie Blocher, die 2015 das erste Mal in Kamerun war und dort von den
       französischen Verbrechen und Massakern erfuhr, ist sich der Kontroverse
       bewusst: „Essama und ich haben denselben Kampf: die Geschichte
       aufzuarbeiten und die Leute dazu zu bewegen zu sprechen. Dass das Kunstwerk
       zerstört wurde, ist nicht schlimm. Ich wollte eine Debatte in Gang bringen
       und ich denke, das habe ich geschafft.“
       
       Essama sieht das anders. „Das Kunstwerk ist narzisstisch: Eine
       überlebensgroße Abbildung ihrer selbst, mitten in Douala. Wir müssen unsere
       eigene Geschichte bearbeiten, unseren eigenen Ikonen Raum in der Stadt
       geben, bevor wir internationale Künstlerinnen ausstellen.“
       
       22 Dec 2017
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://www.cameroon-info.net/article/cameroun-libere-apres-plus-de-24-heures-de-detention-lactiviste-blaise-essam-a-detruit-le-309852.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Katharina Lipowsky
       
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