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       # taz.de -- Kommentar Zugang zu Medizinstudium: Hausärzte statt Dr. House
       
       > Das Numerus-Clausus-Urteil soll mehr Menschen ein Medizinstudium
       > ermöglichen. Und mit etwas Glück macht es die Branche menschlicher.
       
   IMG Bild: Sind Ärzte nicht einfühlsam genug?
       
       Die Begeisterung über das Numerus-clausus-Urteil des
       Bundesverfassungsgerichts ist verdächtig einhellig ausgefallen.
       Bundesärztekammer, Medizinstudierende, Wissenschaftsministerinnen – alle
       begrüßen die richterliche Entscheidung. Sie läuft darauf hinaus, dass die
       Zulassungsverfahren zum Medizinstudium etwas verändert werden müssen und
       [1][die Studienplatzvergabe ein bisschen transparenter] und vergleichbarer
       laufen soll.
       
       Ob das am Ende bedeutet, dass auch Menschen mit einem 2,5er-Abi eine reelle
       Chance haben, Medizin zu studieren, und die angehende Ärzteschaft, die zu
       70 Prozent aus Kindern von Akademikermüttern und/oder -vätern besteht,
       sozial weniger elitär zusammengesetzt ist, weiß natürlich noch niemand.
       
       Die Freude über das Urteil verrät deshalb mehr über das Unbehagen aller
       Beteiligten hinsichtlich der derzeitigen Praxis. Bisher gilt im
       Wesentlichen: Wer in Deutschland Medizin studieren will, muss ein
       1,0er-Abitur hinlegen oder jahrelang auf einen Studienplatz warten.
       Hochbegabung, Strebsamkeit oder Sitzfleisch sind also die wichtigsten
       Voraussetzungen für künftige Ärzte? Den hyperintelligenten, aber sozial
       inkompetente Dr. House mag man als Protagonisten in der gleichnamigen Serie
       toll finden. Aber würde man ihn wirklich als Hausarzt haben wollen?
       
       Von ihrer Ärztin oder ihrem Arzt – egal ob in der Praxis oder im
       Krankenhaus – erwarten die meisten doch, dass sie auch den Menschen hinter
       dem Fall sehen und mitfühlen können.
       
       Wenn die Universitäten und Bundesländer jetzt über veränderte
       Zulassungsverfahren zum Medizinstudium nachdenken, dann sollten sie sich
       deshalb nicht zuerst im Assessment-Center, sondern in den Kliniken
       umschauen. Es sollte gelten: Wer nach dem Abitur eine Ausbildung in der
       Pflege absolviert hat, rückt bei der Studienplatzvergabe ganz nach vorn.
       Damit ist noch nicht gesichert, dass die Bewerber das sechsjährige
       theoretisch geprägte Studium meistern und am Ende die Approbation erhalten.
       Doch wer drei Jahre auf einer Krankenstation oder im Rettungsdienst
       gearbeitet hat, weiß zumindest, worauf er oder sie sich menschlich
       einlässt. Zudem erdet das den Berufsstand: Wer wochenweise im Schichtdienst
       geschuftet hat, oft am Limit und mit einem für die harte Arbeit
       bescheidenen Gehalt, hat Kriterien wie Geld und Renommee zunächst einmal
       hintangestellt.
       
       Dieses an der Praxis orientierte Auswahlprinzip lässt sich auch auf andere
       Studiengänge ausdehnen. Wer Lehrer oder Lehrerin werden will, sollte Kinder
       mögen – und das vorher unter Beweis stellen. Das wäre mal ganz was Neues.
       
       19 Dec 2017
       
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