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       # taz.de -- taz-adventskalender (11): „Erst mal aufräumen“
       
       > Die taz präsentiert in ihrem Adventskalender BerlinerInnen, die für etwas
       > brennen. Hinter Türchen Nummer elf: Joachim Klöckner, Minimalist und
       > Buchautor. ​
       
   IMG Bild: Auch Weihnachten ginge minimalistischer
       
       „Minimalismus bedeutet für mich, den Fokus aufs Wesentliche zu richten. Die
       meisten Menschen räumen erst mal alles auf, wenn sie etwas richtig gut
       machen wollen. Sie haben das Gefühl, dass sie Klarheit im Inneren bekommen,
       wenn sie außen Ordnung schaffen. So habe ich das mit meinem Leben gemacht.
       Ich habe mich entschieden, es richtig gut zu machen.
       
       Mit wenig toten Dingen gewinne ich Zeit, Energie und Raum im Überfluss für
       Lebendiges, für Menschen, Natur, mich selbst. Das setzt drei Glückshormone
       frei: Dopamin, Oxytocin und Serotonin. Das erste ist dafür zuständig,
       selbst zu sein, das zweite, verbunden zu sein, und das dritte, zu
       kooperieren. Ich habe entdeckt, dass dies drei Grundbedürfnisse sind, nach
       denen sich die Menschen seit Urzeiten sehnen. In der Französischen
       Revolution nannte man es Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. Im
       Arabischen Frühling Freiheit, Würde und Arbeit.
       
       ## Etwa 55 Dinge
       
       Viele Menschen wollen wissen, wie viele Dinge ich besitze. Dabei empfinde
       ich es schon als einengend, in solchen Kategorien zu denken. Ich habe meine
       Dinge diesen Menschen zuliebe trotzdem gezählt. Es sind etwas mehr als 50.
       Kürzlich habe ich mir Thermounterwäsche gekauft, also sind es jetzt
       vielleicht 55 Dinge. Im Sommer miete ich immer in Berlin ein Zimmer, wenn
       ich nicht gerade die Wohnungen von Freunden hüte. Im Winter bin ich jetzt
       schon drei Mal in den Süden gegangen, das werde ich wohl dieses Jahr wieder
       tun. Das Graue ist nicht so meins.
       
       In meiner Wohnung habe ich eine Hängematte. Ich besitze ein paar weiße und
       gelbe Kleider, die zusammen eine Waschmaschine füllen. Irgendwann einmal
       hat mich eine gute Hausfrau darauf gebracht, dass man weiße und gelbe
       Kleider gut zusammen waschen kann. Ich koche nicht, also esse ich morgens
       Müsli, trinke nachmittags einen Cappuccino und gehe abends dort etwas
       essen, wo mein Bauch mich hinzieht. Es ist toll, dass man in Berlin für
       wenig Geld jeden Tag auf einem anderen Kontinent essen kann.
       Ernährungstheorien mag ich nicht, die empfinde ich genauso einengend wie
       andere Ideologien.
       
       Ich gehe viel, bewege mich viel, treffe Menschen und frage sie oft, was ich
       Gutes für sie tun kann. Auf diese Frage reagieren viele sehr erstaunt. Denn
       um dies zu beantworten, muss man ja wissen, was gut für einen ist. Und das
       wissen wir oft nicht mehr.
       
       ## Fallout aus Tschernobyl
       
       Sehr genau kann ich mich an den Moment erinnern, als ich beschloss, mein
       Leben in die Hand zu nehmen. Es war ein schöner, sommerlich warmer Tag im
       Mai 1986, ich war auf einem Straßenfest. Plötzlich schneite es. Das war
       aber kein Schnee, sondern Fallout aus Tschernobyl. In den nächsten 20
       Jahren arbeitete ich als Energieberater und änderte parallel mein Leben.
       Ich begann, mehr selbst zu machen und immer mehr Dinge auszusortieren.
       
       Am Anfang wollten wir noch die Welt retten, dann wurde Öko ein Schimpfwort.
       Inzwischen bin ich dazu übergegangen, den anderen etwas vorzuleben. Ich
       halte das für nachhaltiger. Ich habe mal einen Brief von einem Mann
       bekommen. Der Mann wog 200 Kilo, sah einen Fernsehauftritt von mir und
       wiegt jetzt nur noch 100 Kilo. Das hat mir gefallen. Ich sage den Menschen
       nur, dass sie ihr Leben in die Hand nehmen sollen.
       
       Manchmal werde ich gefragt, ob ich nie Lust habe, mal wieder richtig
       einkaufen zu gehen. Dann erzähle ich gern von Diogenes, der einmal von
       seinen Schülern gefragt wurde, warum er ihnen so gern den Markt zeigt, sich
       aber nie etwas kauft. Er sagte, er genieße es, die schönen Dinge zu sehen,
       die er nicht brauche. So geht es mir mit gutem Design. Ich schaue mir sehr
       gern Designgegenstände an und finde es klasse, wenn sich Menschen mit der
       Handhabbarkeit von Dingen auseinandersetzen. Ich staune und genieße, aber
       ich muss diese Sachen trotzdem nicht besitzen.“
       
       11 Dec 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Susanne Messmer
       
       ## TAGS
       
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