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       # taz.de -- Politische Kultur in Sachsen: Der Galgen des kleinen Mannes
       
       > Ein sächsischer Heimatverein verkauft Mini-Merkel-Galgen. „Das ist doch
       > bestimmt verboten“, denken Sie? Nein, nicht ganz.
       
   IMG Bild: Hier in voller Größe, jetzt auch als Miniatur erhältlich
       
       Letzten Freitag war Hutzenabend beim Niederdorfer Heimattreue e. V. Es
       wurde gesungen, gebastelt und geklöppelt, wie es alte erzgebirgische
       Tradition ist. Aus den Fotos, die sich auf der Vereinswebsite finden, ist
       nicht ersichtlich, ob von den Feiernden auch kleine Galgen gebaut wurden.
       Ist ja nicht so schwer: ein rechter Winkel aus Sperrholz, Paketschnur dran,
       Schlaufe knoten – fertig.
       
       Gut zu erkennen sind jedoch das schwarz-rote Vereinslogo auf weißem Grund
       an der Wand, das Compact-Magazin im Zeitungsständer, der handgesägte
       Schwibbogen und das lodernde Feuer im Kamin. Die Niederdorfer
       Vereinsmitglieder halten auf „Heimat, Freiheit, Tradition“, so steht es auf
       einem Plakat.
       
       Kommende Woche ist Weihnachtsfeier, im Februar Wintertanz. Und damit das
       alles auch finanziert werden kann, verkauft der Verein Holzgalgen gegen
       kleines Geld. Kann man schließlich immer brauchen, so einen Galgen, ist
       doch lustig. Vor allem, wenn auf dem Balken „Volksverräter“ steht und an
       den Genickschlaufen kleine Zettel hängen, beschriftet mit „Reserviert für
       Sigmar ,das Pack' Gabriel“ und „Reserviert für Angela ‚Mutti‘ Merkel“.
       
       Die Staatsanwaltschaft Chemnitz findet das jetzt nicht direkt komisch. Aber
       ein strafbares Verhalten kann sie nun auch wieder nicht erkennen. Deshalb
       hat sie die Ermittlungen gegen den Vereinsvorsitzenden Thomas Witte
       eingestellt. Der Verkauf darf weitergehen, auf dass der vom Landesamt für
       Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestufte Witte weiter
       erfolgreich den Verein führen kann.
       
       Der [1][Originalgalgen] wurde bei einer Pegida-Demonstration im Jahr 2015
       durch Dresden getragen, das Foto ging um die Welt. Wie jetzt bei der
       kleinen Kopie vermochte die sächsische Justiz schon damals keine „Störung
       des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten“ erkennen. Die
       Staatsanwaltschaft Dresden stellte die Ermittlungen im März 2017 ein.
       
       ## Ist doch nur Kunst
       
       Die nun für den Verein Heimattreue zuständige Staatsanwaltschaft Chemnitz
       geht noch einen Schritt weiter. Sie meint in dem Niederdorfer Minigalgen
       Kunst zu erkennen. In ihrer Begründung, die zuerst der Süddeutschen Zeitung
       vorlag, schreibt sie, es fehle an einer „Aufforderung zu Straftaten nach §
       111 Abs. 1 StGB“. Sowohl die Tatbestandsmerkmale der Öffentlichkeit als
       auch der Aufforderung seien „nicht nachweisbar“.
       
       „So kann das Aufstellen der Galgen auch dahingehend verstanden werden, die
       Bundeskanzlerin und der Vizekanzlerin [sic!] verdienten wegen politischen
       Versagens den (physischen) Tod. So verstanden, würde es sich nicht um eine
       Aufforderung an Dritte sondern die Mitteilung eines Wunsches handeln.“ Und
       das ist straflos. Auch eine Beschimpfung, Verächtlichmachung oder
       Verleumdung mag man nicht erkennen. Das scheitere schon daran, dass Angela
       Merkel und Sigmar Gabriel „keiner hinreichend bestimmten
       Bevölkerungsgruppe“ zuzuordnen seien. Im Übrigen sei „im Hinblick auf die
       geringe Größe der Galgen und der Beschriftung mit ,Pack' und ,Mutti‘ die
       Ernstlichkeit zu verneinen“.
       
       Auf eine Nachfrage des SZ-Journalisten Ronen Steinke, wie das
       Landesjustizministerium das Urteil im Hinblick auf zunehmende Gewalt gegen
       PolitikerInnen bewertet, verweist dessen Sprecher auf die steigende
       Anklage- und Strafbefehlsquote im Freistaat. Die Staatsanwaltschaft
       Chemnitz schreibt, der ausführlichen Begründung der Entscheidung sei
       „nichts hinzuzufügen“. Die zunehmende Bereitschaft zur Gewalt gegen Amts-
       und Mandatsträger sei „bekannt und fand bei der oben getroffenen
       Entscheidung Berücksichtigung“.
       
       Die Niederdorfer Heimattreuen wird das freuen. Ihr Geschäftsmodell scheint
       akzeptiert und ausbaufähig zu sein. Wer weiß, vielleicht werden demnächst
       Bombenattrappen durch Dresden getragen. Oder lustige Taschenguillotinen.
       Könnte man alles nachbauen und verkaufen. Für 2018 plant der Verein einen
       Besuch des Deutschen Bundestages. Das kostet schließlich alles.
       
       6 Dec 2017
       
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