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       # taz.de -- Streit um Berliner Ali-Baba-Spielplatz: Guter Mond, schlechter Mond
       
       > Eine Mondsichel auf einem Berliner Spielplatz ist heftig umstritten. Die
       > Debatte ist beispielhaft für den deutschen Umgang mit dem Islam.
       
   IMG Bild: Der geheimnisvolle Wilde als Figur auf dem Ali-Baba-Spielplatz ist Teil der Fantasie vom abenteuerlichen Orient
       
       Ein Spielplatz in Neukölln hat es Anfang des Monats in die Schlagzeilen der
       an Nachrichten nicht armen Medien in der Türkei geschafft. „In der
       deutschen Hauptstadt Berlin haben Halbmond- und Zwiebelturm-Symbole auf
       einem dem Märchen ‚Ali Baba und die vierzig Räuber‘ nachempfundenen
       Spielplatz politische Diskussionen entfacht“, berichtet eine türkische
       Nachrichtenagentur.
       
       Die Meldung nehmen verschiedene Zeitungen auf, von regierungsnaher bis
       oppositioneller Ausrichtung. Rassistische Kommentare in den sozialen Medien
       hätten den Spielplatz auf die politische Tagesordnung gebracht, so die
       Meldung weiter. Nun ist der Ali-Baba-Spielplatz in Berlin-Neukölln
       [1][unter Polizeischutz am Nikolaustag eröffnet worden].
       
       In den Wochen zuvor war die Aufregung über die Mondsichel einmal durch den
       Durchlauferhitzer gelaufen: Anfangs das Foto des Zwiebelturm-Klettergerüsts
       in den sozialen Medien, das Nutzer als Moschee identifizierten, dann das
       hinlänglich bekannte Reiz-Reaktionsschema aus rechter Hetze gegen die
       „Islamisierung des Abendlandes“ und Medien, die das Thema dankbar
       aufgreifen. Es folgt weitere Empörung in den Kommentarspalten und sozialen
       Medien über religiöse Symbole auf Kinderspielplätzen.
       
       Die Diskussion löst sich komplett von der analogen Welt ab, bläht sich im
       Internet auf. Es geht nicht mehr um den konkreten Spielplatz in Neukölln,
       es geht ums Prinzip. Der [2][Streit um den Halbmond] wird zum Zeichen, und
       wie man es deutet, hängt davon ab, auf welcher Seite man sich positioniert.
       
       ## Zwischen Faszination und Abwehr
       
       Für die einen – unter anderem für die AfD – ist die Mondsichel ein
       „islamisches Herrschaftssymbol“, das auf einem deutschen Spielplatz nichts
       verloren hat. Andere verteidigen den Themen-Spielplatz und sprechen von
       einer absurden Debatte. Das sei keine Moschee, sagt die Neuköllner
       Bezirksbürgermeisterin Franziska Giffey (SPD), sondern „eine orientalische
       Burg“.
       
       Doch geht es wirklich darum, ob das Klettergerüst nun eine Moschee oder
       eine „orientalische Burg“ ist? Oder steht die Aufregung über die Mondsichel
       vielmehr für den orientalistischen Umgang mit dem Anderen? Auf der einen
       Seite der geheimnisvolle Orient als Abenteuer, auf der anderen der
       bedrohliche islamisch-arabische Kulturkreis: Ob positiv oder negativ
       besetzt, es kommt darin eine stereotype Wahrnehmung zum Ausdruck, die
       zwischen Faszination und Abwehr oszilliert.
       
       Der Streit sagt vor allem etwas aus über Projektionen und Imaginationen des
       Anderen in Deutschland. Wie hier also der Islam und Muslime zum Anderen
       gemacht werden, um manche Deutsche in ihrer eigenen Identität zu
       vergewissern. Leitkultur und so. Das geht einher mit starker Vereinfachung,
       Klischees und Stereotypen. Der Orient als Schablone, anhand der viele
       Deutsche das eigene Selbstverständnis aushandeln. Alles alt bekannt seit
       Edward Said.
       
       Und dennoch: Dass ein Halbmond heute noch – oder wieder – das Potenzial
       hat, eine solche Debatte zu entfachen, zeigt, wie eindimensional das Bild
       von Islam und Muslimen in Deutschland immer noch ist. Und dass es
       hierzulande noch eine Menge an Auseinandersetzungen zu unserem
       Selbstverständnis zu führen gibt. Vielleicht lohnt sich fast 40 Jahre nach
       dem Erscheinen von Edward Saids „Orientalism“ mal wieder ein Blick in das
       Grundlagenwerk der postkolonialen Theorie.
       
       7 Dec 2017
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://www.spiegel.de/lebenundlernen/schule/berlin-polizeischutz-fuer-den-ali-baba-spielplatz-a-1182095.html
   DIR [2] /Debatte-um-Neukoellner-Spielplatz/!5457371
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Elisabeth Kimmerle
       
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