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       # taz.de -- Kolumne Mithulogie: Schau durch meine Augen, Kleines!
       
       > Wer mansplaining sagt, reduziert Menschen auf Geschlechterstereotype.
       > Kann das dabei helfen Sexismus zu reduzieren?
       
   IMG Bild: Ah, mansplaining, check, danke!
       
       Normalerweise habe ich ein Problem mit Worten wie mansplaining. Weil sie
       suggerieren, dass mikroaggressives Verhalten ein Geschlecht hat. Und dass
       Männer nur darauf warten, dass ich mansplaine: „Hört auf, euch wie
       Dumpfbacken zu verhalten“, damit sie sich mit der flachen Hand vor die
       Stirn schlagen und ausrufen: „Danke Mithu, da wäre ich nie drauf gekommen.
       Dann mache ich das doch mal.“
       
       Doch dann gibt es Projekte, die so geil sind, dass ich dringend ein Date
       mit ihnen möchte – wie Serious Datum von Yasmine Boudiaf aus London.
       Boudiaf hat gerade eine Virtual-Reality-Simulation kreiert, die es Männern
       ermöglicht nachzufühlen, was es bedeutet, auf der Empfänger*innenseite von
       mansplaining zu sein.
       
       Also VR-Helm auf und rein in die Welt der Meetings, bei denen du gefragt
       wirst, ob du Protokoll schreibst, obwohl du das Projekt leitest; bei denen
       deine Vorschläge geflissentlich überhört werden, aber als der Knaller
       gelten, sobald jemand mit höherem Status sie macht; bei denen dein
       Gegenüber seufzt und die Arme verschränkt, wenn du sprichst. „Ich hätte nie
       gedacht, dass sich das so scheiße anfühlt“, war das Feedback der ersten
       Versuchsteilnehmer.
       
       Merke: Man merkt nur, was man am eigenen Leib erfährt.
       
       Und häufig ist mikroaggressives Verhalten nicht einmal aggressiv in dem
       Sinn, dass Menschen es absichtlich machen, damit sich andere Menschen
       abgewertet fühlen. So wie ich, wenn ich meinen Sohn daran erinnere, dass er
       für seine Englischarbeit lernen muss, und er in perfektem Englisch
       antwortet: „Stop mumsplaining!“
       
       ## Monologe der Tante
       
       Trotzdem gibt es geschlechtspezifische Varianten von xsplaining, was wir
       gerade zu Weihnachten merken, wenn wir miteinander Stunden an gefüllten
       Esstischen verbringen müssen. Ich habe eine Tante, die jede Sekunde, in der
       niemand etwas sagt, mit einem wohlwollenden Monolog füllt, der weder
       Antworten erwartet, noch darauf reagieren könnte. Macht sie das, damit
       unsere Gehirne unter ihrem pausenlosen Wortschwall auf die Größe von
       Rosinen schrumpeln und es unmöglich ist, einen anderen Gedanken als Flucht!
       zu fassen? Natürlich nicht.
       
       Sie wäre hochverwundert, würde ihr jemand erklären, dass sie jedes Gespräch
       dominiert. Schließlich ist sie der am wenigsten dominante Mensch, den ich
       kenne. Ihr xsplaining – oder nennen wir es beim richtigen Namen:
       kommunikative Dysfuktion – liegt ganz im Gegenteil an ihrem Gefühl von
       Machtlosigkeit, die sie dazu antreibt, so unermüdlich dafür zu sorgen, dass
       es allen gut geht, dass sie keine Energie übrig hat, etwas oder jemand
       anderes mitzubekommen.
       
       Und das ist, was Xsplainern gemein ist, dass sie nicht in der Lage oder
       bereit sind, sich in ihr Gegenüber hinein zu versetzen.
       
       Was wünsche ich mir also zu Weihnachten? Herr, lass Empathie vom Himmel
       regnen! Und Herr*in, du bitte auch.
       
       11 Dec 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Mithu Sanyal
       
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