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       # taz.de -- Das Schiff „Hertha“: Alter Dampfer, ahoi!
       
       > So skandalumwittert wie die Hertha: Das namensgebende Schiff ist nach
       > vielen Pannen wieder in Berlin. Zu Ende ist die Odyssee noch nicht.
       
   IMG Bild: Mitte Dezember trudelte der Dampfer endlich in Berlin ein
       
       Berlin taz | Der alte Gründungsdampfer von Hertha BSC war schon eine irre
       Geschichte vor dem Jubiläumsjahr des Vereins. Jetzt ist es so weit
       gekommen, dass Hertha über all die Pannen und Streitereien problemlos ein
       Buch veröffentlichen könnte. Eine Geschichte, die von Nostalgie handelt und
       von unwahrscheinlich viel Glück, das sich irgendwann in sehr viel Pech und
       Dilettantismus verkehrte.
       
       Vorbei ist sie noch nicht. Denn das Boot, das Hertha-Verantwortliche zum
       125-jährigen Jubiläum zurück nach Berlin holen wollten, ist zwar
       mittlerweile, ein halbes Jahr verspätet, nach langem Hickhack in der Heimat
       eingetrudelt. Hertha-Fans befördern darf es aber vorerst nicht. Ob es dazu
       kommt, ist auch noch nicht klar. Außerdem nicht, wer das bezahlen soll. Und
       was die Behörden zu alledem sagen.
       
       Schon die Vorgeschichte des Kahns bietet Stoff für einen Roman: 1886 wurde
       das Passagierboot „Hertha“, benannt nach der Tochter des Reeders, in
       Stettin vom Stapel gelassen. Irgendwann gelangte es auf die Spree und
       Havel, wo der spätere Hertha-Mitgründer Fritz Lindner zufällig eine Fahrt
       auf dem blau-weißen Boot unternahm.
       
       Im Sommer 1892, am 25. Juli, so ist es überliefert, gründeten Fritz und
       sein Bruder Max, damals Teenager, zusammen mit dem Brüderpaar Otto und
       Willi Lorenz auf einer Parkbank einen Fußballverein (es soll die Sonne
       geschienen haben, was nicht belegbar ist, aber wegen der Parkbank
       naheliegend). Sie gaben ihm den Namen und die Farben des Dampfers.
       
       Der Dampfer erlebte eine Aneinanderreihung von Abenteuern, bei denen
       eigentlich jedem Herthaner warm ums Herz werden müsste. Er galt als
       verschollen. In den Sechzigern schipperte das Schlitzohr inkognito unter
       dem Namen „Seid bereit“ auf DDR-Gewässern. Er überlebte eine geplante
       Verschrottung. Er wurde von Peter Dentler aus Wusterhausen restauriert. Und
       schließlich als die „Hertha“ identifiziert. In den neunziger Jahren
       versuchte Hertha BSC eine Weile, das Schiff zurückzukaufen, aber schon da
       gab es Streit um den Preis.
       
       ## Schiffs-Aktien für Fans
       
       Nun haben seit Längerem die Präsidiumsmitglieder Christian Wolter und
       Ingmar Pering die Angelegenheit in der Hand genommen; mit viel Einsatz,
       aber offenkundig wenig Professionalität. Mit dem Verkauf von Schiffsaktien
       an Fans wollten die beiden Macher 1,46 Millionen Euro einsammeln. Bloß
       waren die Herthaner weniger enthusiastisch dabei als gedacht. Nur rund
       400.000 Euro sollen durch Fans zusammengekommen sein. Genug, um die
       „Hertha“ zu kaufen und irgendwie über Land zu transportieren, aber dann war
       Feierabend.
       
       Am 25. Juli, pünktlich zum 125. Jubiläum des Vereins, sollte die „Hertha“
       in Berlin einlaufen. Schon auf dem Landweg holperte es: Beim Transport
       wurde die „Hertha“ beschädigt, wegen Sturms kam sie verspätet im Hafen von
       Wustermark an. Und von da aus ging es dann ein halbes Jahr überhaupt nicht
       mehr weiter. Denn dummerweise bekamen die Macher keine Fahrerlaubnis auf
       Berliner Gewässern.
       
       Dann fanden sie keinen Liegeplatz, beschuldigten für all die Miseren wild
       jeden vom Schifffahrtsamt bis zu Berliner Reedern, die sich angeblich gegen
       die „Hertha“ verschworen hatten, und irgendwann sprang noch der schwer
       erkrankte Kapitän ab. Im Jubiläumsjahr, wo Hertha alles richtig machen
       wollte, ging vieles schief.
       
       „Ich hätte mir bei dem Vorhaben mehr Unterstützung von allen Herthanern
       erwartet“, sagte Organisator Christian Wolter im November. „Aber ich kann
       dazu ja niemanden zwingen.“ Das brachte ihm bei Hertha-Fans nicht unbedingt
       Sympathien ein.
       
       Die Hertha-Führung verkrachte sich dann auch noch über das Projekt: Wolter
       griff öffentlich Hertha-Präsident Werner Gegenbauer, Manager Michael Preetz
       und Finanzgeschäftsführer Ingo Schiller dafür an, dass keiner von ihnen
       eine Aktie erworben habe. „Es ist leider so, dass uns nicht jeder Glück und
       Erfolg wünscht mit der Hertha“, so Wolter. Und streute gegenüber dem
       Tagesspiegel das Gerücht, die Führungsetage habe eine gezielte
       Medienkampagne gegen den Dampfer geführt. Die Öffentlichkeit durfte sich
       indessen bei all den Peinlichkeiten fragen, wie man es schafft, sich so
       dermaßen über ein Boot zu zerstreiten.
       
       ## Endlich eingelaufen
       
       Christian Wolter ist mittlerweile zurückgerudert; seine Aussagen seien „aus
       dem Zusammenhang gerissen“. „Ich will keinen Krieg und keinen öffentlichen
       Kampf“, sagte er der Bild-Zeitung. Dafür aber war es dann schon zu spät,
       Gegenbauer war nicht amüsiert. Immerhin das Schiff macht Fortschritte: Ein
       Ersatzkapitän ist mittlerweile gefunden, die Fahrerlaubnis da, und am 14.
       Dezember lief der Gründungsdampfer in Treptow ein. Sogar ein paar Stunden
       früher als erwartet. Dort hat er einen Liegeplatz.
       
       Wolter und Pering wollen ihn zum Ausflugsdampfer machen, eine Genehmigung
       aber fehlt mal wieder. Dazu bedarf es einer teuren Restaurierung. Wer die
       bezahlt, ist unklar; von den gerade mal 50 interessierten Fans, die sich
       die Rückkehr anschauten, dürfte eher nicht genug Geld zusammenkommen.
       
       Und Passagierfahrten werden noch aus einem anderen Grund schwierig: Das
       Schiff ist, wie jetzt bekannt wurde, 70 Zentimeter zu hoch, um unter
       Berlins Brücken durchzupassen. Was für ein Unglück.
       
       27 Dec 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Alina Schwermer
       
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