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       # taz.de -- Kommentar Grüne und Bahn-Bashing: Der Entgleiste
       
       > Der Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer hat sich heftig über die
       > Unpünktlichkeit der Bahn aufgeregt. Und sich dabei ganz schön in die
       > Nesseln gesetzt.
       
   IMG Bild: Genießen Sie das Leben in vollen Zügen
       
       Es gibt in Deutschland drei Behauptungen, mit denen sich jederzeit tosender
       Applaus einholen lässt. Erstens: Die da oben machen sowieso, was sie
       wollen. Zweitens: Die Fußball-Bundesliga wird immer langweiliger. Und
       drittens: Die Bahn ist doof. Diese populistischen Selbstläufer
       funktionieren auch deshalb so gut, weil an allen drei Thesen schon etwas
       dran ist. Wahlversprechen bleiben liegen, Bayern München dominiert den
       Fußball, und die Bahn fährt nicht immer so, wie man sich das wünschen
       würde.
       
       Dann gibt es die Grünen. Die sind auch deshalb gegründet worden, um
       aufklärerisch zu wirken. Deshalb bemühen sie sich erstens um ein
       differenziertes Bild des Politikbetriebs. Zweitens zählt das Kommentieren
       der Bundesligatabelle nicht zum Kerngeschäft dieser Partei. Wohl aber
       kümmern sich grüne Abgeordnete, drittens, intensiv um Verkehr und
       Infrastruktur.
       
       Richtig so, wollte man sagen – bis einem die Mitteilung von Fraktionsvize
       Oliver Krischer auf den Schreibtisch flattert. Krischer hat nämlich
       entdecken lassen, dass die Bahn auf der Neubaustrecke Berlin–München
       Verspätungen ohne Ende einfährt. Nur 94 Züge hätten bis zum 18. Dezember
       planmäßig ihr Ziel erreicht, 195 seien dagegen zu spät angekommen – was für
       ein Skandal! Deshalb sei „gehörig etwas faul“ im Staatskonzern Bahn,
       erklärt Krischer exklusiv der Bild-Zeitung, die das zum Dank auf ihrer
       Seite eins abdruckt.
       
       Bei näherer Betrachtung stellt sich allerdings heraus, dass die Verspätung
       von 70 Zügen der monierten 195 bei unter sechs Minuten lag. Dass die Bahn
       auf der Strecke gehörige Probleme hat, ist auch nicht gerade eine neue
       Erkenntnis. Dass die Zahlen schon 14 Tage alt sind, sagt wenig bis nichts
       über die aktuelle Lage auf der Strecke aus.
       
       Eine Nullmeldung also, durch die Oliver Krischer für fünf Minuten berühmt
       geworden ist; und wegen der nun wieder mehr Menschen ins Auto steigen
       werden, um – selbstverständlich ohne jede Verspätung – von München nach
       Berlin zu reisen. Die taz gratuliert zu diesem ökologischen Coup.
       
       27 Dec 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Klaus Hillenbrand
       
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