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       # taz.de -- Autonomes Fahren und seine Hindernisse: Die 7 Hürden des fahrerlosen Fahrens
       
       > Im Jahr 2018 starten in Baden-Württemberg Tests zum fahrerlosen
       > Autofahren. Bis zum alltagstauglichen Auto ist es aber noch weit.
       
   IMG Bild: Ungefährlich? Die Hände können im Schoß bleiben
       
       Fahrerloses Autofahren ist nicht mehr utopisch, es wird kommen. Aber welche
       Risiken birgt es? Ein Überblick:
       
       ## 1. Akzeptanz:
       
       So ist es: Autofahrer sind sich uneins. Jeweils rund ein Drittel kann sich
       vorstellen, ein selbstfahrendes Auto zu nutzen, ist unentschlossen oder
       findet das überhaupt keine Option, so eine Umfrage unter ADAC-Mitgliedern.
       Die größten Ängste: Wer haftet bei Unfällen? Können sich Kriminelle in das
       Fahrzeug hacken? Was macht das Fahrzeug, wenn ein Unfall unvermeidbar ist?
       
       So wird es: „Am Ende wird die Akzeptanz weniger von der Technik abhängen
       als davon, was darüber hinaus geboten wird“, sagt Tim Lehmann vom Institut
       für urbane Mobilität. Etwa vom Unterhaltungs- und Service-Angebot in den
       Fahrzeugen. Die Frage, ob eine Minibar und welches Computerspiel verfügbar
       ist, könnte wichtiger werden als der ▶ Datenschutz. Lehmann geht davon aus:
       Das größte Interesse an selbstfahrenden Autos müssten andere
       Verkehrsteilnehmer wie Radfahrer und Fußgänger haben. Denn im Gegensatz zu
       einem menschlichen Fahrer verhalte sich die Technik viel berechenbarer. Am
       Zebrastreifen würde sich dann nicht mehr die Frage stellen: Hält er oder
       hält er nicht? Ein weiterer Faktor wird absehbar das Altern der
       Gesellschaft sein. Wenn die Nutzung eines selbstfahrenden Autos eines Tages
       ein Mehr an Mobilität ermöglicht, könnten die ersten Käufer aus der älteren
       Generation kommen.
       
       Hürdenfaktor: mittel
       
       ## 2. Datenschutz
       
       So ist es: Schon jetzt sammeln Neuwagen mit üblicher Ausstattung Dutzende
       Daten über Sensoren und Steuergeräte. Dazu gehören beispielsweise die Zahl
       der Gurtstraffungen, die Aufschluss auf rapide Bremsmanöver gibt, die Zahl
       der Fahrgäste, messbar durch Sensoren in den Sitzen, die GPS-Position, die
       Zahl der Verstellvorgänge des Fahrersitzes, was Rückschlüsse auf wechselnde
       Fahrer ermöglicht, oder wie häufig eine CD eingelegt oder ein USB-Stick
       angeschlossen wird. Was genau, das variiert von Modell zu Modell. Den
       meisten Autos ist aber gemein: Der Fahrer oder Besitzer wird darüber nicht
       informiert.
       
       So wird es: Mit zunehmender Vernetzung wird die Menge an Daten steigen,
       teils weil sie tatsächlich benötigt werden, um das fahrerlose Fahren zu
       ermöglichen, teils weil es einfach geht. „Die Datenmengen werden mit
       automatisiertem und vernetztem Fahren explodieren“, sagte der Leiter der
       Ethikkommission zum autonomen Fahren, Udo Di Fabio, bei der Vorstellung
       ihres Berichts im Juni. Die Kommission fordert: Die Fahrzeughalter müssen
       entscheiden dürfen, wer welche Daten von ihnen bekommt. Denn die
       Begehrlichkeiten sind vielfältig: Strafverfolgungsbehörden interessieren
       sich ebenso dafür wie die Autohersteller und die Versicherungswirtschaft.
       Hersteller planen bereits, die gesammelten Daten nicht lokal im Fahrzeug,
       sondern auf zentralen Servern zu speichern – so könnten sie immer
       zugreifen.
       
       Der TÜV-Dachverband kritisiert diese Pläne. Die dort liegenden Daten seien
       einer möglichen Manipulation durch die Hersteller ausgesetzt. Der nächste
       Abgasskandal lässt grüßen. Indes: Selbst wenn es letztlich nur einen
       laschen Datenschutz gibt – an der ▶ Akzeptanz ändern wird das wohl nur
       wenig. Schließlich finden auch privatsphäre-kritische Dienste wie WhatsApp
       oder Google Maps hinreichend Nutzer.
       
       Hürdenfaktor: niedrig
       
       ## 3. Ethik
       
       So ist es: Dass Maschinen, algorithmisch gesteuert, Menschen töten, ist
       eine der größten Ängste, wenn es um das autonome Fahren geht. In einer
       Umfrage des ADAC gaben 37 Prozent an, dass sich ein menschlicher Fahrer
       ihrer Meinung nach bei einem Unfall „ethischer“ verhalten würde als ein
       Algorithmus.
       
       So wird es: Die Ethik-Kommission zum autonomen Fahren lehnt eine Abwägung
       zum Wert von Menschen ab. Ein Programm, Kinder zulasten von Älteren zu
       verschonen, dürfe nicht erlaubt werden. Technisch wäre das umsetzbar, etwa
       mithilfe eines Zufallsalgorithmus. Die Frage ist nun, ob sich die Politik
       traut, das entsprechend in ein Gesetz zu gießen – oder ob es am Ende doch
       Hintertürchen gibt, mit denen die Autohersteller die Sicherheit der Fahrer
       in den Algorithmen höher bewerten können als die von Passanten.
       
       Das ist es nämlich, was die Fahrer wollen: Aus einer Untersuchung des
       Wissenschaftsmagazins Science geht hervor, dass Autokäufer vor allem darauf
       Wert legen, dass ein selbstfahrendes Auto die Insassen „um jeden Preis“
       schützt. Zum wahren Dilemma wird also: Je strikter die Politik das
       Abwägungsverbot regelt, desto skeptischer werden die Autokäufer sein. Und
       sie würden damit angesichts der Tatsache, dass 95 Prozent aller Unfälle auf
       menschliches Versagen zurückgehen, länger mehr Unfälle verursachen.
       
       Hürdenfaktor: mittel
       
       ## 4. Hacking
       
       So ist es: „Beim vernetzten Auto sehen wir 50 potenzielle Angriffspunkte“,
       sagt Andrea Sroczynski von SBD Automotive. Das Unternehmen berät
       Autoindustrie und Zulieferer – und testet beispielsweise Software darauf,
       ob Sicherheitslücken zu finden sind. Und je mehr Technik, je mehr Sensoren
       im Auto, so Sroczynski, desto größer die Angriffsfläche.
       
       So wird es: Bei selbstfahrenden Autos spricht Sroczynski von 200
       potenziellen Angriffspunkten. Das WLAN gehört zum Beispiel dazu oder die
       Diagnoseschnittstelle, die eigentlich für die Werkstatt da sein soll, aber
       unter Umständen auch einen Angriffspunkt bieten kann. Momentan heißt das
       vor allem: Es gibt Möglichkeiten, ein einzelnes Auto gezielt zu
       manipulieren. Doch die selbstfahrenden Autos werden untereinander und mit
       der Infrastruktur kommunizieren müssen. Eines Tages kann es daher möglich
       sein, ganze Flotten anzugreifen. Für Autohersteller bedeutet das nicht nur,
       dass sie einiges mehr an Know-how im Bereich IT-Sicherheit benötigen als
       noch vor 15 Jahren. Sie müssen auch die Software ihrer Fahrzeuge immer
       aktuell halten (▶ Haftung). Zudem benötigen sie eine Art von ernst zu
       nehmendem Siegel. Denn wenn die Angaben zur IT-Sicherheit so unzuverlässig
       sind wie zu den Abgaswerten, dürfte das die ▶ Akzeptanz der Fahrzeuge nicht
       gerade steigern.
       
       Hürdenfaktor: hoch
       
       ## 5. Haftung
       
       So ist es: Bundestag und Bundesrat haben im Frühjahr 2017 ein Gesetz
       beschlossen, das die Haftung bei selbstfahrenden Autos regelt.
       Grundsätzlich gilt: Ist das Fahrzeug im Autopilot unterwegs, haftet der
       Hersteller, sonst der Fahrer. Gleichzeitig bleibt die Haftung des Halters
       bestehen. Eine Blackbox soll speichern, wann das System und wann der Mensch
       gefahren ist – und zwar über sechs Monate. Zu lange, kritisieren
       Verbraucherschützer.
       
       So wird es: „Die Verantwortung muss neu geklärt werden“, sagt Tim Lehmann
       vom Institut für urbane Mobilität. Denn das Problem ist nicht nur die
       Schnittstelle Mensch-Maschine. Zahlreiche Akteure können für Fehler
       verantwortlich sein. War es der Software-Zulieferer? Der Auto-Hersteller?
       Oder ein Problem bei der Car-to-Car-Kommunikation, für das vielleicht ein
       Provider verantwortlich ist? „Beim fahrerlosen Auto kann es nicht sein,
       dass der Halter einen Fehler nachweisen muss, sondern der Hersteller muss
       in der Haftung sein“, sagt Marion Jungbluth vom Verbraucherzentrale
       Bundesverband. Gegebenenfalls müsse der eben Regress nehmen.
       
       Hürdenfaktor: hoch
       
       ## 6. Künstliche Intelligenz
       
       So ist es: Künstliche Intelligenz ist unschlagbar, wenn es darum geht,
       Schach oder das japanische Brettspiel Go zu spielen. Gut trainierte
       neuronale Netze finden ähnliche Fotos und schlagen in Computerspielen den
       menschlichen Gegner. Sie sind also dann besonders gut, wenn sie auf eine
       eng und klar definierte Aufgabenstellung treffen. Problematisch wird es für
       sie bei komplexen Anforderungen – wie dem Straßenverkehr oder ganz
       allgemein dem menschlichen Alltag. Eine Studie chinesischer Wissenschaftler
       hat die Künstlichen Intelligenzen großer IT-Konzerne wie Google und Apple
       untersucht und mit der menschlichen verglichen. Das Ergebnis: Selbst die
       Künstliche Intelligenz von Google kommt nicht an den IQ eines sechsjährigen
       Kindes heran.
       
       So wird es: Standardverkehr sollte für eine Künstliche Intelligenz kein
       Problem sein. An roten Ampeln zu halten, ein durchgestrichenes von einem
       nicht durchgestrichenen Schild für eine Geschwindigkeitsbegrenzung zu
       unterscheiden – das geht. Die Herausforderung sind Situationen, die keinem
       festen Muster folgen und für die ein selbst lernender Algorithmus noch
       keinen Präzendenzfall hatte. Das stellt nicht nur hohe Anforderungen an die
       Programmierer, sondern auch an die Hersteller: Die müssen über die gesamte
       Nutzungsdauer des Fahrzeugs garantieren, dass die Künstliche Intelligenz
       auf dem aktuellen Stand bleibt (▶ Haftung). Ganz knifflig wird es für
       Künstliche Intelligenz, wenn sie in einer Alltagssituation gezwungen wird,
       klare, einprogrammierte Regeln zu brechen – etwa eine durchgezogene Linie
       zu überfahren, oder eine rote Ampel zu ignorieren, weil ein Polizist den
       Verkehr per Hand regelt. Ob diese Fälle überhaupt ohne die
       Kontrollübernahme durch einen Fahrer lösbar sind, muss sich erst noch
       zeigen.
       
       Hürdenfaktor: hoch
       
       ## 7. Ladeinfrastruktur
       
       So ist es: Derzeit kommen in Deutschland auf eine Ladesäule für
       Elektroautos 11.800 Einwohner, so das Ergebnis einer Studie des
       Car-Instituts an der Universität Duisburg-Essen, bei der die 50 größten
       Städte hierzulande untersucht wurden. Zum Vergleich: In Amsterdam sind es
       650, in Oslo 466 Einwohner.
       
       So wird es: Selbstfahrende Fahrzeuge werden ausschließlich als Elektroautos
       konzipiert. Diese benötigen Flächen, die sie bei niedrigem Batteriestand
       ansteuern und wo sie per Induktion geladen werden. Ingenieure träumen von
       Ampelanlagen oder Straßen, auf denen sich die Fahrzeuge automatisch laden.
       Dabei sieht es nicht danach aus, als würde sich das schon jetzt bei
       Elektroautos bestehende Henne-Ei-Problem einfach lösen lassen: Ohne
       Ladeinfrastruktur will niemand so ein Auto, ohne kritische Masse an Autos
       investiert niemand in die Ladeinfrastruktur.
       
       Hürdenfaktor: mittel
       
       27 Dec 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Svenja Bergt
       
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