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       # taz.de -- Technologien bedrohen Menschheit: Die Grenzen des Denkens
       
       > Neue Technologien bedrohen Mensch und Umwelt, warnt der Kopräsident des
       > Club of Rome, Ernst Ulrich von Weizsäcker.
       
   IMG Bild: Knapp die Hälfte der fruchtbaren Böden ist in den letzten 150 Jahren verschwunden
       
       „Die Grenzen des Wachstums“, die Studie des Club of Rome aus dem Jahre
       1972, gilt heute als ein Markstein der wissenschaftlichen Politikberatung,
       auch wenn die prospektiven Berechnungen zur Ressourcenverknappung nicht
       Wirklichkeit geworden sind. Jetzt hat die Gruppe der Vordenker aus
       Wissenschaft und Wirtschaft, angeführt von dem deutschen Umweltforscher
       Ernst Ulrich von Weizsäcker, ein neues Zukunfts-Memorandum vorgelegt, das
       nicht nur die Dringlichkeit einer Umkehr zur Nachhaltigkeit thematisiert,
       sondern als deren Grundlage auch eine Wende in den Köpfen, eine „neue
       Aufklärung“, anmahnt. Nun müssen die Grenzen des Denkens überschritten
       werden.
       
       Der Titel der deutschen Ausgabe des 380-Seiten-Weckrufs, verfasst von den
       beiden Hauptautoren Ernst Ulrich von Weizsäcker und Anders Wijkman, lautet:
       „Wir sind dran – Was wir ändern müssen, wenn wir bleiben wollen“. Das
       „Dransein“ ist absichtlich doppelsinnig: Jetzt geht es der Menschheit
       wirklich an den Kragen, wenn sie nicht umsteuert, wie auch in der aktiven
       Bedeutung: Die Zeit ist reif für Taten.
       
       Eine zentrale Metapher der Diagnose ist der Übergang von der „leeren“ zur
       „vollen“ Welt, andernorts als Ära des „Anthropozäns“ bezeichnet. Die „leere
       Welt“ war jene Zeit, „als die Fülle an natürlichen Ressourcen auf dieser
       Erde endlos schien“, schreibt der Club of Rome.
       
       Während dieser Zeit, als sich auch die europäische Aufklärung entfaltete,
       wurden weite Teile Amerikas und Afrikas als scheinbar endlose
       Siedlungsgebiete erobert. Die „volle Welt“ dagegen stößt, besonders spürbar
       seit Mitte des 20. Jahrhunderts, immer häufiger an Limits: „Die Grenzen
       sind greifbar, fühlbar in allem, was wir tun.“ Das Problem dabei: die
       ideologische Grundlage wurde bisher nicht angepasst. „45 Jahre nach den
       Grenzen des Wachstums, verfolgt die Welt immer noch eine Wachstumspolitik,
       als ob wir in der leeren Welt lebten.“
       
       Die Folgen des Überschreitens der „planetaren Grenzen“ sind allenthalben
       sichtbar. „Fast die Hälfte der fruchtbaren Böden der Erde ist in den
       letzten 150 Jahren verschwunden; fast 90 Prozent der Fischbestände sind
       entweder überfischt oder einfach weg. Die Klimastabilität ist in echter
       Gefahr und die Erde erlebt gerade das sechste große Artensterben ihrer
       Geschichte“, so die ökologische Schreckensbilanz des Reports.
       
       Als Ernst Ulrich von Weizsäcker in der vergangenen Woche den Report in der
       „2. Berliner Platz-Rede“ vorstellte, ging er auch auf weitere
       Gefahrenpotenziale ein, die aus dem wissenschaftlichen Fortschritt rühren
       und die noch zu wenig allgemeine Beachtung fänden. Dabei stützte er sich
       auf Arbeiten des Centre for the Study of Existential Risk (CSER) im
       englischen Cambridge, das Gefahren identifiziert hat, die die gesamte
       Menschheit existenziell bedrohen können.
       
       Eine davon ist die synthetische Biologie mit der neuen gentechnischen
       Methode des Gene Drive, etwa zur Erbgutveränderung von Mikroben. Auf diese
       Weise könne ihre Infektionswirkung erhöht und die Resistenz gegen
       Antibiotika eingebaut werden. „Das wird heute gemacht“, sagte Weizsäcker in
       Berlin. „Der Hauptfinanzier für Gene Drive – was schlimmer ist als die alte
       Genmanipulation – ist das Pentagon.“ Nach außen werde der Eindruck erweckt,
       dies habe „ja gar nichts mit Genmanipulation zu tun“; zudem lasse sich so
       der Malaria-Erreger ausrotten. „Aber wenn das in den Händen des Militärs
       ist – das ist absolut dramatisch!“, warnte der Präsident des Club of Rome.
       
       Fatal sei, dass es hierzu keine gesetzliche Regulierung gebe. „Die haben es
       geschafft, dass alles aus dem Gentechnikgesetz raus ist, damit es nicht
       kontrolliert wird“, sagte Weizsäcker am Pariser Platz. „Es ist grauenhaft:
       Es ist eine wirklich menschheitsbedrohende Gefährdung. Und die Zeitungen
       berichten darüber nicht.“
       
       Andere großflächige Gefährdungen berge das GeoEngineering als Technik gegen
       den Klimawandel wie auch das ungebremste Voranschreiten der künstlichen
       Intelligenz.
       
       17 Dec 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Manfred Ronzheimer
       
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