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       # taz.de -- Wirbel um Ausbrüche in Plötzensee: Justizsenator beruhigt die Volksseele
       
       > Dirk Behrendt tritt auch am Mittwoch nicht zurück. Stattdessen will er
       > die Bevölkerung und das Parlament aufklären. Ein Besuch in der JVA
       > Plötzensee.
       
   IMG Bild: Die JVA ist dreigliedrig: es gibt eine Jugendhaftanstalt, den offenen und geschlossenen Vollzug
       
       Das ist kein Witz: Auf einem Transparent der Jugendstrafanstalt Berlin in
       Plötzensee steht anlässlich des 30-jährigen Gründungsjubiläums, das 2017
       begangen wurde: „Jugend hat Zukunft – wir feilen dran!“ Das Banner hängt an
       einem Backsteinbau unter einem mit Gittern gesicherten Fenster.
       
       Ein paar Schritte weiter gibt es Gebäude, deren Fenster keine Gitter
       tragen. Hier ist der offene Vollzug der Justizvollzugsanstalt (JVA)
       Plötzensee untergebracht, aus dem zwischen Weihnachten und Neujahr fünf
       Männer entwichen – wie es im Behördendeutsch heißt. Im selben Zeitraum
       sind zudem vier Männer aus dem geschlossenen Vollzug der JVA Plötzensee
       ausgebrochen. Das alles sorgte für Wirbel. Es hagelte Rücktrittsforderungen
       seitens der Oppositionsparteien an Dirk Behrendt.
       
       Der unter Druck geratene Justizsenator reagiert zum einem am Mittwoch mit
       der Einrichtung einer Kommission aus internen und externen
       Sicherheitsexperten, um Schwachstellen in der JVA zu analysieren und zu
       beseitigen. Zum anderen lädt er die Presse über Nacht zu einem
       Vor-Ort-Termin am Donnerstag ein. Die Bemühungen um Schadensbegrenzung sind
       offensichtlich. Einen Rücktritt schloss er aber aus.
       
       Behrendt sagte zunächst, was er schon tags zuvor mitteilte: Die
       Sicherheitsvorkehrungen in der JVA Plötzensee kämen allesamt auf den
       Prüfstand. Das Personal werde nochmals verstärkt.
       
       ## Nirgends Gitter vor den Fenstern
       
       Dem Justizsenator geht es vor allem darum, der „verunsicherten Bevölkerung“
       zu erklären, was es mit dem offenen Vollzug auf sich hat. Dazu konnten sich
       Medienvertreter ein dreistöckiges Haus des offenen Vollzugs ansehen. Die
       Einbett- und Zweibettzimmer sind karg möbliert, wirken nicht einladend,
       aber sauber, oft riecht es nach Zigarettenrauch. Nirgends sind Gitter vor
       den Fenstern, an der Eingangstür aber sitzt Wachpersonal und muss einen
       Türsummer betätigen, wenn jemand ins Haus will.
       
       Wer im offenen Vollzug einsitzt, hat vom Richter keine Haft-, sondern nur
       eine Geldstraße aufgebrummt bekommen, referiert Behrendt förmlich.
       Mehrfaches Schwarzfahren und das Nichtbezahlen von Forderungen der
       Verkehrsbetriebe sind beispielsweise Gründe dafür.
       
       Will heißen: Bei den „Entweichungen“ aus dem offenen Vollzug entkamen also
       keine Schwerverbrecher.
       
       Im Strafvollzugsgesetz, so Behrendt, ist geregelt, wie der offene Vollzug
       zu gestalten ist – „geringere bis keine Sicherheitsvorkehrungen, so wie
       hier in der JVA Plötzensee, wo es keine Gitter an den Fenstern gibt, auch
       keine Mauern, sondern einfache Zäune“. Aber Personal – nur viel zu wenig.
       Die Justizverwaltung hat schon reagiert. „Wir haben mehr Personal für die
       Sicherung des Außenbereichs und auch in den Nachtstunden bereitgestellt“,
       sagt Behrendt.
       
       ## „Aufklärung im Vordergrund“
       
       Zahlen, wie viele Justizvollzugsbeamte in der JVA Plötzensee arbeiten, gibt
       es aber keine – auch auf Nachfrage nicht. Offene Fragen auf anderem Gebiet:
       „Wir müssen diskutieren, ob man hier im offenen Vollzug noch stärkere
       Sicherheitsvorkehrungen will, aber wir wollen uns nicht dem geschlossenen
       Vollzug annähern“, sagt Behrendt.
       
       Das alles will der Justizsenator am Donnerstag (4. Januar 2018) mit den
       rechtspolitischen Sprechern aller Fraktionen bei einem Besuch der JVA
       Plötzensee besprechen. „Ein Ausbruch – das allein ist noch kein
       Rücktrittsgrund. Aber eine Serie von Ausbrüchen, das ist ein Problem. Es
       gibt offene Fragen, die der Justizsenator beantworten muss“, sagte Sven
       Kohlmeier, der rechtspolitische Sprecher der SPD, der taz.
       
       Behrendt ist dazu bereit: „Jetzt steht die Aufklärung wegen der
       Entweichungen im offenen Vollzug im Vordergrund.“ Und nächste Woche wolle
       er im Parlament Rede und Antwort stehen. „Alles andere“ – damit sind
       Rücktrittsforderungen gemeint – „bewegt mich momentan nicht zentral.“
       
       3 Jan 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Hergeth
       
       ## TAGS
       
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