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       # taz.de -- Herbizid im Haselnussanbau?: Die bittere Seite des süßen Riesen
       
       > Der Ferrero-Konzern dominiert den Markt für Haselnüsse in Chile. Dort
       > wird ganz legal ein Pestizid eingesetzt, das in Europa verboten ist.
       
   IMG Bild: Wenn sie aus Chile kommen, wurden sie höchstwahrscheinlich mit dem Pestizid Paraquat behandelt
       
       Der Süßwarenkonzern Ferrero bezieht in großen Mengen Haselnüsse aus Chile,
       die dort unter Einsatz des in der EU verbotenen, hochgiftigen Herbizid
       Paraquat angebaut werden. Das geht aus Recherchen des
       Pestizid-Aktions-Netzwerks (PAN) Chile hervor. PAN kritisiert, dass das
       neurotoxisch wirksame Paraquat dort legal gegen Unkraut gespritzt wird, zum
       Teil kombiniert mit dem wahrscheinlich krebserregenden Glyphosat. Ferrero
       Deutschland reagierte nicht auf die mehrfache Bitte um eine Stellungnahme.
       
       Ferrero, einer der weltgrößten Schokoladenhersteller von Nutella,
       Kinderschokolade, Überraschungseiern, Rocher, Duplo und Hanuta, hat seit
       rund zwei Jahrzehnten den kommerziellen Haselnussanbau in Chile mithilfe
       seiner Tochterfirma AgriChile über Vertragsbauern stark ausgeweitet. Chiles
       Haselnussernte betrug 2017 rund 20.000 Tonnen auf 17.000 Hektar und soll
       bis 2020 auf rund 30.000 Hektar ausgeweitet werden.
       
       Ferrero erwarb 4.200 Hektar für eigene Plantagen. Insgesamt kauft Ferrero
       weit über 90 Prozent der chilenischen Haselnussernte auf. Dass Ferreros
       Nüsse mit dem umstrittenen Wirkstoff behandelt werden, legen auch
       Recherchen von PAN nahe. Der Organisation hatten Bewohner der Region Maule
       den Fund von leeren Paraquat-Kanistern in Plantagen gemeldet.
       
       AgriChile strebt an, Chile unter den weltgrößten
       Haselnuss-Produzentenländern zu konsolidieren. Der Großteil wird in die EU,
       USA, Kanada und Hongkong exportiert. AgriChile nahm 2016 mit rund 15.000
       Tonnen Haselnussexporten fast 75 Millionen US-Dollar ein.
       
       ## Einsatz in der EU und der Schweiz verboten
       
       Das Totalherbizid Paraquat des Chemiekonzerns Syngenta kann laut PAN zu
       Gesundheitsschäden wie Nierenversagen, Atemnot, Seh- und Leberschäden,
       schweren Hautverletzungen, Todesfällen und Embryoschädigung führen. Es ist
       in der EU und der Schweiz – dem Firmensitz von Syngenta – verboten. In
       Brasilien ist sein Einsatz ab September 2020 untersagt. Die
       US-Umweltbehörde EPA stufte es als möglicherweise krebserregend und schwach
       erbgutverändernd ein. Zahlreiche Menschen haben mit dem Gift Suizid
       begangen.
       
       Chiles Agrarministerium klassifiziert Paraquat allerdings nur als
       „schädlich und moderat gefährlich“ und erlaubt den Einsatz am Boden der
       Haselnusssträucher. Das Sprühen per Flugzeug wurde 1998 auf Drängen von PAN
       verboten. Die Kritiker monieren, Unkraut lasse sich auch ohne das Gift
       bekämpfen.
       
       PAN-Chile zufolge belegten Statistiken gestiegene Krebserkrankungen in
       Regionen mit pestizidintensiven Monokulturen. Bis Ende September 2017
       wurden bereits 442 Pestizidvergiftungen, darunter vier Suizide, gemeldet,
       die Dunkelziffer wird auf das Fünffache geschätzt. PAN beklagt die starke
       Pestizidlobby: 2007 lehnte der chilenische Senat ein Verbot der giftigsten
       Pestizide („Das dreckige Dutzend“) wie Paraquat ab, obwohl das
       Abgeordnetenhaus einstimmig dafür war.
       
       Die deutsche Ferrero-Pressestelle gab keine Auskunft zum Pestizideinsatz in
       Chile. Ferrero ist sich laut Nachhaltigkeitsbericht von 2016 seiner
       „wichtigen Rolle für das Gleichgewicht des Ökosystems bewusst“ und
       „engagiert sich für die Verbreitung nachhaltiger Praktiken in der gesamten
       Lieferkette“.
       
       Bis 2020 solle die Lieferkette bei Haselnüssen vollständig rückverfolgbar
       sein. Für die Auswahl seiner Rohstoffe, so der Konzern, würde die Kriterien
       „ausgezeichnete Qualität, Achtung der Menschenrechte sowie das Prinzip der
       Nachhaltigkeit“ gelten.
       
       4 Jan 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ulrike Bickel
       
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