URI: 
       # taz.de -- Was macht eigentlich Pulse of Europe?: Aktivisten machen unbeirrt weiter
       
       > Im Frühjahr 2017 mobilisierte Pulse of Europe erfolgreich Tausende und
       > warb für die Vorzüge der EU. So schnell, wie die Bewegung gekommen war,
       > flaute sie wieder ab.
       
   IMG Bild: Pulse of Europa am 25.11.2018: Demo in Berlin zum einjährigen Bestehen der Bewegung
       
       Der Gendarmenmarkt war im Jahr 2017 der Treffpunkt für Europa-Fans. Immer
       sonntags versammelten sich Hunderte Menschen, um bei Pulse of Europe (PoE)
       für die Europäische Union zu demonstrieren. Für wenige Stunden verwandelten
       sie den Platz in ein Meer aus EU-Fahnen und blauen Luftballons. Gemeinsam
       wurde Beethovens Ode an die Freude gesungen, die offizielle Hymne der EU.
       
       Trotzdem: PoE wollte keine Jubelveranstaltung sein. „Europa stand Anfang
       2017 mehreren Gefahren gegenüber“, sagt Silvan Wagenknecht, der 19-jährige
       Initiator von Pulse of Europe Berlin. Wenige Monate zuvor hatten die Briten
       für den Austritt aus der EU gestimmt. Hinzu kam die Wahl Donald Trumps.
       „Viele Menschen standen unter Schock und hatten das Gefühl, etwas machen zu
       müssen.“ PoE demonstrierte nicht nur für den Erhalt der Union. Man verstand
       sich auch als Plattform für Werte wie Frieden, Demokratie und
       Pressefreiheit.
       
       Die erste PoE-Demo fand im November 2016 in Frankfurt am Main statt.
       Organisiert wurde sie vom Juristenehepaar Daniel und Sabine Röder. Wenige
       Monate später gab es Ableger in über 60 europäischen Städten, die meisten
       davon in Deutschland. In Berlin ging PoE im Februar 2017 an den Start. Zur
       ersten Kundgebung kamen etwa 250 Menschen.
       
       Und es wurden schnell mehr. Im Frühling, auf dem Höhepunkt der Bewegung,
       versammelten sich regelmäßig Tausende Demonstranten. In Deutschland,
       Frankreich und den Niederlanden standen Wahlen an. Überall hatten sich
       nationalistische und europaskeptische Parteien in Stellung gebracht. Bei
       der größten Demonstration Ende März 2017 zählten die Veranstalter 7.500
       Teilnehmer.
       
       ## „Relativ viele junge Menschen“
       
       Für Europa demonstrierten überwiegend Menschen aus dem bürgerlichen Milieu.
       „Relativ viele junge Menschen, aber auch Leute im Rentenalter. Die mittlere
       Generation scheint unterrepräsentiert“, beobachtete der Protestforscher
       Dieter Rucht vom Wissenschaftszentrum Berlin. Sozial abgehängte Schichten
       seien vermutlich nicht dabei gewesen.
       
       Sorge dürfte den Demonstranten vor allem die Präsidentschaftswahl in
       Frankreich gemacht haben. „Ich glaube, dass die Leute mehr Angst vor Marine
       Le Pen hatten als vor der AfD“, sagt Wagenknecht. Die Rechtspopulistin und
       erklärte EU-Gegnerin wollte im Falle ihres Sieges über einen Frexit
       abstimmen lassen. Am Tag der Wahl waren auf dem Gendarmenmarkt neben
       Europa-Fahnen auch viele Trikoloren zu sehen. Demonstranten riefen auf
       Französisch: „Français, restez avec nous.“ Und die Franzosen blieben. Le
       Pen unterlag dem proeuropäischen Kandidaten Emmanuel Macron. Auch in den
       Niederlanden hatte sich der rechte Kandidat Geert Wilders nicht durchsetzen
       können. Die EU war gerettet.
       
       In den Monaten danach kamen allerdings immer weniger Menschen. PoE schaffte
       es nicht, den Schwung bis zu den Bundestagswahlen beizubehalten. Bei den
       Kundgebungen im Sommer lag die Teilnehmerzahl nur noch bei mehreren
       hundert. Die letzte PoE-Demo im Jahr 2017 fand Ende November statt. Bei
       nasskaltem Herbstwetter versammelten sich 250 Demonstranten vor dem
       Hauptbahnhof.
       
       Dass die Bewegung nach den Wahlen so schnell an Zulauf verlor, lag wohl
       auch an ihren diffusen Zielen. „Es fehlte eine Stoßrichtung, ein klarer
       Nenner“, erklärt Dieter Rucht. Forderungen nach „EU“, „Demokratie“ und
       „Frieden“ seien zwar sympathisch. Langfristig könne man damit aber kaum
       Unterstützer mobilisieren. „Im Grunde handelte es sich um harmlose
       Friede-Freude-Eierkuchen-Veranstaltungen mit viel Symbolik, aber keinen
       konkreten Forderungen und strategischen Überlegungen.“
       
       ## Statt große Demos kleine Aktionen
       
       PoE habe es außerdem nicht geschafft, auf politische Entscheidungsträger
       einzuwirken. „Diese empfanden keinen Druck, da sie zu nichts Konkretem
       gedrängt wurden.“ Man habe die Bewegung als diffuse Verstärkung für die EU
       verstanden, ohne selbst etwa tun zu müssen.
       
       Auch wenn die meisten PoE-Sympathisanten nicht mehr auf die Straße gehen,
       der harte Kern ist weiter aktiv. Statt auf große Demos setzt man nun auf
       kleine Aktionen. Während der Sondierungsgespräche von CDU/CSU, FDP und
       Grünen versammelten sich etwa 30 Aktivisten unterm Balkon des Tagungsorts.
       Auf einer blauen Banderole prangten die Worte „Trau dich – Europa“. Auch am
       Tag der konstituierenden Sitzung des Bundestags demonstrierte eine kleine
       Gruppe vor dem Reichstag.
       
       Für 2018 hat Wagenknecht bereits die Parlamentswahlen in Italien und die
       Entwicklungen in Osteuropa im Blick. Dass wie im Frühjahr wieder Tausende
       auf den Gendarmenmarkt strömen, sieht Dieter Rucht allerdings nicht. „PoE
       wird wahrscheinlich als Verein weiterbestehen, aber der Elan ist dahin.“
       
       Richtigstellung: In der Printausgabe des Artikels vom 5. Januar 2018 hieß
       es, Silvan Wagenknecht sei der Pressesprecher von Pulse of Europe Berlin.
       Das ist nicht korrekt. Herr Wagenknecht ist, wie hier angegeben, der
       Initiator von Pulse of Europe Berlin.
       
       23 Jan 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Francis Laugstien
       
       ## TAGS
       
   DIR Serie „Zukunft Europas“
   DIR Pro-Europäer
   DIR Pulse of Europe
   DIR Pulse of Europe
   DIR Schwerpunkt Emmanuel Macron
   DIR Europäische Union
   DIR Europa
   DIR Pulse of Europe
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Bewegung Pulse of Europe: Küchentische zu Hausparlamenten
       
       Nachbarschaftsversammlungen sollen Forderungen an Europa formulieren. Pulse
       of Europe startet eine neue Form der Bürgerbeteiligung.
       
   DIR Pulse of Europe unterstützt Macron: EU zur eigenen Sache machen
       
       Die Bürgerbewegung Pulse of Europe unterstützt Macrons Idee demokratischer
       Konvente. Sie sollen mehr Einfluss der EU-Bürger ermöglichen.
       
   DIR Essay Zukunft der Europäischen Union: Wer schützt die Armen?
       
       Die Politologin Ulrike Guérot fordert eine europäische Republik. Doch
       solange es keine Fiskal- und Sozialunion gibt, braucht es den
       Nationalstaat.
       
   DIR Buch über Europas Zukunft: Eine neue Republik
       
       Vom gleichen Wahlrecht zum gleichen Recht auf soziale Sicherheit: Die
       Politologin Ulrike Guérot beschreibt einen Weg zur Republik Europa.
       
   DIR Bürgerbewegung „Pulse of Europe“: Die Pro-Europäer machen weiter
       
       Die Organisatoren der Kundgebungen haben sich beraten: Pulse of Europe soll
       größer werden und zugleich Abstand zu Parteien wahren.