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       # taz.de -- Der Drang nach Mitte: Neue Horizonte
       
       > Mit dem Humboldt Forum wird die Kultur noch ein Stück mehr im Zentrum
       > konzentriert. Was macht das aber mit Dahlem?
       
   IMG Bild: Aufbauarbeit beim Stadtschloss. Die Kuppel steht, das Humboldt Forum kann bald kommen
       
       Als Anfang 2017 zwei der drei berühmten Dahlemer Museen, das Ethnologische
       Museum und das Museum für Asiatische Kunst, ihre Türen im gediegenen
       Südwesten der Stadt schlossen und den Umzug ins Humboldt Forum nach Mitte
       antraten, das 2019 eröffnen soll – da ging wieder einmal ein einigermaßen
       besorgtes Stöhnen durch die Stadtgesellschaft. Und zwar nicht nur durch
       jene, die selbst in Steglitz-Zehlendorf residiert.
       
       Die Befürchtung: Im Zuge der Bestrebungen Berlins, so schick und aus einem
       Guss wie die anderen „europäischen Metropolen“ auszusehen und endlich mit
       einem repräsentativen, mondänen Kern aufwarten zu können, wird die Stadt
       ihre Kultur zunehmend in ihrem vermeintlich historischen Zentrum
       zusammenziehen. Und dass so auch noch der zerfledderte, ungeordnete Charme
       Berlins, seine Brüche, Widersprüchlichkeiten und selbstbewussten Kieze, die
       selbst in den entlegensten Ecken Erstaunlichstes bieten, flöten gehen.
       
       Als hätte es nicht völlig gereicht, dass das Stadtschloss, in dem das
       Humboldt Forum seinen Platz findet, nicht zu verhindern war.
       
       Die Zeit, als man nur müde über all jene hektischen Touristen lächeln
       durfte, die Berlin wie Paris oder London an einem halben Tag durchliefen
       und glaubten, das Wesentliche gesehen zu haben, scheint vorbei.
       
       ## Ein verschlafener Vorort?
       
       Aber ist sie das wirklich? Wird Dahlem durch den Verlust seiner Museen
       tatsächlich bald zu einem verschlafenen Vorort wie Wilhelmsruh oder
       Mariendorf degradiert, während alles nur noch nach Mitte strömt – mit einem
       kleinen Ausflug nach Kreuzberg allerhöchstens, um dort die Reste dessen zu
       bewundern, was einmal unter dem Stichwort Alternativkultur lief? Werden
       sich Berliner wie Touristen wirklich nicht mehr so schnell in den Südwesten
       wagen, wenn dort, wie gerade diskutiert wird, anstelle der Museen ein
       schnöder Forschungscampus entstehen soll?
       
       Vor fast zehn Jahren erschien das Buch „Stadt ohne Form“ des Architekten
       Philipp Oswalt, der einmal sehr rege beteiligt war an der Zwischennutzung
       des Palasts der Republik, der dann ja dem Stadtschloss Platz machen musste.
       Dieses Buch wurde viel diskutiert, denn es weiß einiges darüber, wie in
       Berlin immer wieder utopische Entwürfe, die viel mit Ideologie zu tun
       hatten, vor die Wand gefahren sind. An Hitlers Germania erinnert heute das
       Sowjetische Ehrenmal in Tiergarten, für das angeblich Teile seiner
       abgerissenen Reichskanzlei als Baumaterial gedient haben. Die
       Autobahnplanungen der fünfziger Jahre werden vielleicht bald für einen
       Highway für Radler genutzt. Und Prenzlauer Berg, das die DDR in den
       achtziger Jahren abreißen und mit Plattenbauten ersetzen wollte, ist heute
       eines der teuersten Pflaster der Stadt.
       
       Immer wieder gab es Versuche, aus der wild wuchernden, offenen Stadt
       Berlin, die von Krieg, Flucht und Teilung gezeichnet ist, ein kohärentes
       Ganzes zu machen. Doch Städte entstehen zum Glück nicht auf den
       Reißbrettern von Großarchitekten. Insofern stehen die Chancen nicht
       schlecht, dass auch die Restauration, jene Sehnsucht nach Glanz und Gloria,
       die die Oberhand gewonnen hat in dieser Stadt und den Kehraus in Dahlem
       letzten Endes verursachte, nicht ganz zu Ende gehäkelt werden wird.
       
       So oder so: Nach wie vor werden in Dahlem spannende Ausstellungen
       kuratiert. Ihre Macher scheren sich erfrischend wenig um die symbolischen
       Kämpfe, die um Mitte toben. Allein das ist bereits die Reise mit der U3
       Richtung Krumme Lanke weiter wert.
       
       Dieser Text ist Teil eines Schwerpunkts zu Dahlem ein Jahr nach Schließung
       der Museen dort, den Sie im Berlin-Teil der aktuellen Wochenendausgabe der
       taz lesen können, im Print oder als e-Paper.
       
       6 Jan 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Susanne Messmer
       
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