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       # taz.de -- Kolumne Geht’s noch?: Immer noch Beef um Döner
       
       > Einen Mordversuch auf zwei türkischstämmige Männer im brandenburgischen
       > Kyritz bezeichnen Medien als „Döner-Krieg“. Autsch.
       
   IMG Bild: Noch immer nichts dazugelernt?
       
       Man fragt sich: Was haben Deutsche eigentlich aus [1][dem fahrlässigen
       Umgang] mit den Opfern der NSU-Morde gelernt? Ließen sie sich eines
       Besseren belehren, nachdem sie die bisherigen Straftaten der Neonazi-Gruppe
       mit rassistischen Begriffen wie „Döner-Morde“ und „Bosporus-Mordserie“
       betitelten und somit die Taten relativierten, nur um später herauszufinden,
       dass es keine mafiösen Intrigen zwischen „Landsleuten“, sondern
       terroristische Anschläge waren?
       
       Natürlich nicht! Als hätten sie die letzten 15 Jahre jegliche
       Nachrichtenmeldungen wie graue Regenwolken an sich vorbeiziehen lassen,
       graben Journalist_innen ein Vokabular aus, das noch nie angemessen war: Im
       brandenburgischen Kyritz wurde am Neujahrsabend ein Anschlag auf Metin und
       Osman S. verübt. Als die Brüder in ihren Autos saßen, schoss ein
       Unbekannter fünf Mal auf die beiden – und verfehlte sein Ziel, sodass
       niemand verletzt wurde.
       
       Und welche naheliegende Assoziation kommt bei einem versuchten Mord an zwei
       türkischstämmigen Männern in Ostdeutschland auf? Genau, die beiden
       Imbissbetreiber müssen in einem „Döner-Krieg“ (sic!) verwickelt sein, was
       auch sonst? Diesen Beef wittern Onlinemedien wie [2][Bild.de] und
       [3][Focus.de] sofort.
       
       ## Kulturalisierte Anschläge
       
       Vor Ort ermittelt die Polizei unter anderem gegen einen mutmaßlichen
       Angriff von konkurrierenden Imbiss-Betreiber_innen, schließt jedoch andere
       Motive nicht aus und warnt davor, die Tat voreilig als „Döner-Krieg“ zu
       bezeichnen.
       
       Nur wenige Wochen nach dem Terroranschlag eines ehemaligen Neonazis in
       Veddel, einem migrantischen Stadtteil Hamburgs, wäre ein rechter
       beziehungsweise rassistischer Anschlag nicht auszuschließen – zumal über
       den oder die Täter noch nichts bekannt ist.
       
       Doch wer automatisch auf einen „Döner-Krieg“ schließt, ist in seiner
       rassistischen Ignoranz und Böswilligkeit kaum zu übertreffen. Weil Täter
       von Anschlägen scheinbar muslimisch sein müssen, kann es sich nur um einen
       Ehrenmord, Bandenkrieg oder ein ähnliches kulturalisiertes Motiv handeln,
       wenn die Opfer nicht weiß sind.
       
       Im Vokabular so eng an den Falschmeldungen nach den NSU-Morden zu kleben
       und die Berichterstattung mit Dönerspießen zu bebildern zeigt, wie die
       Auseinandersetzung mit rassistischem Terror stattfindet: nämlich so gut wie
       gar nicht. Ob ein Angriff auf einen weißen deutschen Imbissbudenbesitzer
       als Schnitzeljagd bezeichnet werden würde? Wohl kaum.
       
       4 Jan 2018
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Medienversagen-beim-NSU/!5407141
   DIR [2] http://www.bild.de/regional/berlin/doener/krieg-in-brandenburg-54367786.bild.html
   DIR [3] https://www.focus.de/panorama/welt/taeter-auf-der-flucht-doener-krieg-in-brandenburg-schuesse-auf-zwei-buden-besitzer-in-kyritz_id_8194632.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Hengameh Yaghoobifarah
       
       ## TAGS
       
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