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       # taz.de -- Mietrecht für Gewerbe: Schutz für Bäcker und Kinderläden
       
       > Gewerbemieter sind schutzlos. Ein vom Linken-MdB Pascal Meiser in Auftrag
       > gegebenes Gutachten zeigt, dass es auch anders geht.
       
   IMG Bild: Protestaktion gegen Verdrängung in der Kreuzberger Oranienstraße im Oktober
       
       Berlin taz | Ob Kinderladen, Handwerksbetrieb oder Bäckerei: so sinnvoll
       ein Gewerbe auch sein mag oder so lange es schon in einem Kiez ansässig
       ist, die Kündigung durch den Vermieter ist mit geringfügigen Beschränkungen
       jederzeit möglich. Immer öfter trifft der Verdrängungsdruck auf dem
       Berliner Immobilienmarkt auch die Gewerbe. Hinterhofhandwerksbetriebe
       werden durch Lofts ersetzt, Schneidereien durch Bars, soziale Einrichtungen
       durch Filialen von Bekleidungs- oder Fast-Food-Ketten. Die Mietverträge für
       gewerblich genutzte Räume sind stets nur befristet, bei jeder Neubelegung
       kann der Vermieter die Miete nach Belieben in die Höhe schrauben.
       
       Gesetzliche Regelungen, die eine Gewerbestruktur oder notwendige soziale
       Einrichtungen schützen würden? Fehlanzeige. Ein Gewerbemietrecht gibt es
       nicht. Nun hat der neu gewählte Kreuzberger Bundestagsabgeordnete Pascal
       Meiser (Linke) den Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages damit
       beauftragt, herauszufinden, wie Gewerbemieter geschützt werden können.
       
       Das Ergebnis ist für Meiser ein gutes: „Grundsätzlich ist es rechtlich
       möglich, ein soziales Mietrecht für Gewerbetreibende und soziale
       Einrichtungen zu schaffen“, fasst er das 13-seitige Gutachten zusammen. Das
       sei wichtig, da „Gewerbetreibende angesichts der Invasion der
       Immobilienkonzerne immer stärker unter Druck geraten“, so Meiser.
       
       Die Juristen des Bundestags sehen grundsätzlich mehrere Möglichkeiten, um
       den Schutz zu verbessern. Verändern ließen sich die Mietrechtsregelungen im
       Bürgerlichen Gesetzbuch, etwa die Verordnungen über Mietspiegel oder
       Mietpreisbremse. Wörtlich heißt es: „Sonderregelungen für soziale
       Einrichtungen ließen sich […] in die Mietvorschriften des BGB
       integrieren.“ Auch Meiser bevorzugt den Weg der konkreten rechtlichen
       Rahmensetzung: ein soziales Gewerbemietrecht, das „Vertragslaufzeit,
       Kündigungsschutz und Mieterhöhungsverfahren“ verbindlich regelt.
       
       ## Angemessene Gewinnbeschneidung
       
       Das Gutachten gibt sich jedoch zurückhaltend, was die Frage angeht, wie
       konkret eingegriffen werden dürfte. Der besondere Schutz für Wohnungen als
       Mittelpunkt der privaten Existenz lasse sich nicht ohne Weiteres auf
       Gewerbe übertragen: Eine „vergleichbare Interessenlage“ lasse sich „nicht,
       jedenfalls nicht durchgängig“ feststellen. Eine Beschränkung der
       Gewinnabsicht der Vermieter müsse „angemessen“ sein – sie ist also
       ausgeschlossen, wenn auch durch weniger harte Eingriffe das verfolgte
       Gemeinwohlziel erreicht werden kann.
       
       Problematisch sei laut Meiser zudem, dass noch nicht geklärt ist, wer alles
       als Gewerbemieter verstanden werden soll. Meiser sagt, ihm gehe es „um mehr
       als soziale Einrichtungen“. Auch „kleine, inhabergeführte Gewerbe müssen
       in ihrer Verhandlungsposition gegen große Immobilienkonzerne gestärkt
       werden“.
       
       Eine andere Möglichkeit besteht laut den Gutachtern in einer
       „gesetzgeberischen Erweiterung“ des Instruments Milieuschutz. Bestimmte
       Formen der gewerblichen Nutzung ließen sich dann als „städtebauliche
       Eigenart“ eines Gebiets definieren, so etwa bei einer offenen Ladenzeile
       mit handwerklichen Betrieben. Die verschiedenen Wege sollen nun laut Meiser
       mit Juristen, aber auch Betroffenen und Mietrechtsexperten geprüft werden;
       daraus sollen sich dann parlamentarische Initiativen ableiten.
       
       Berlins rot-rot-grüne Landesregierung arbeitet schon seit einiger Zeit an
       einer entsprechenden Bundesratsinitiative, die den Milieuschutz auch auf
       Gewerbeflächen ausweiten will. Federführend sind dabei die grün geführten
       Senatsverwaltungen für Justiz und Wirtschaft. „Ich hoffe, dass unsere
       Vorarbeit dort einfließt“, so der Linken-Abgeordnete Meiser.
       
       8 Jan 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Erik Peter
       
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