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       # taz.de -- Grünen-Politikerin Anja Piel: Verbissen für die Harmonie
       
       > Die niedersächsische Fraktionschefin der Grünen, Anja Piel, bewirbt sich
       > als Bundesvorsitzende der Partei. Sie will die Flügelkämpfe beenden.
       
   IMG Bild: Bleibt lieber sachlich, als auf andere draufzuhauen: Anja Piel
       
       Hannover taz | Wie Menschen ticken, zeigt sich am besten, wenn sie in eine
       Extremsituation kommen. Für Anja Piel ist das politische Leben am 4. August
       2017 plötzlich aus den Fugen geraten. Da sah sie in einer Übertragung im
       Fernsehen, wie [1][die damals noch grüne Fraktionskollegin Elke Twesten
       schmallippig zur CDU übertrat] und damit kurzerhand die rot-grüne
       Einstimmenmehrheit im Niedersächsischen Landtag sprengte. Für Piel war das
       auch eine persönliche Niederlage in ihrer politischen Karriere – ihre
       Aufgabe als Vorsitzende wäre es gewesen, die Fraktion zusammenzuhalten.
       
       Nur wenige Stunden nachdem in Hannover diese Bombe geplatzt war, trat auch
       Piel vor die Kameras. Sie muss wütend und enttäuscht von Twesten gewesen
       sein, aufgewühlt und gestresst. Ihr war das anzusehen. Aber als sie den
       Mund aufmachte, blieb sie sachlich. Es ist nicht Piels Art, auf andere
       draufzuhauen. Nicht einmal, wenn es sich wie ein Verrat anfühlt. Zwar
       kritisierte sie die „eigennützigen Gründe“ ihrer Exkollegin, aber sie
       verlor kein einziges persönliches Wort über Twestens Verhalten, weder über
       den unsauberen Wechsel noch über die gemeinsame Arbeit in der Fraktion.
       Piel bleibt auch in der Ausnahmesituation fair.
       
       Die 52-Jährige aus Fischbeck im Landkreis Hameln-Pyrmont steht seit dem
       Jahr 2013 an der Spitze der niedersächsischen Landtagsfraktion und
       kandidierte bei der vorgezogenen Landtagswahl im vergangenen Jahr auf
       Listenplatz eins. Eine Gegenkandidatin gab es nicht. Piel ist in
       Niedersachsen gesetzt – und das, obwohl sie in ihrer Außenwirkung nicht dem
       Typus einer Spitzenpolitikerin entspricht. Statt Ellenbogeneinsatz setzt
       Piel auf Vermittlung und die Betonung von Gemeinsamkeiten. „Sie hat ein
       gutes Gespür für die Stimmung in der Fraktion“, sagt ein grünes Mitglied
       aus Niedersachsen. „Teilweise würde man von ihr aber etwas mehr Führung
       erwarten.“
       
       Auch in der politischen Auseinandersetzung ist es ihr wichtig, dass die
       Konflikte nicht persönlich werden – auf der Sachebene hat sie sich aber
       durchaus mit dem früheren Koalitionspartner SPD angelegt. „Dass
       Niedersachsen dem Asylpaket I nicht zugestimmt, sondern sich enthalten hat,
       liegt vor allem daran, dass sie dagegen gekämpft hat“, sagt das grüne
       Mitglied. Wenn Piel etwas wolle, „hält sie mit Verbissenheit darauf zu“.
       
       Nun hat sich die gelernte Industriekauffrau den Posten der
       Bundesvorsitzenden ihrer Partei vorgenommen. Sie gilt als Vertreterin des
       linken Flügels bei den Grünen. Sie selbst sagt, sie würde sich
       „undogmatisch links verorten“. Eigentlich ist Piel die ideologische
       Einteilung in Flügel aber sowieso zuwider.
       
       „Die allermeisten unserer Mitglieder interessieren sich für Flügel viel
       weniger als dafür, dass sie an der Entwicklung von Programmen und
       Schwerpunkten angemessen beteiligt werden“, schreibt Piel in ihrer
       Bewerbung um den Parteivorsitz. Ihr Grundsatz lautet: „Hart in der Sache
       diskutieren, aber nach draußen eine gemeinsame Stoßrichtung vertreten.“
       
       ## Konsensuale Linie auf Bundesebene
       
       Gerade in Zeiten, in denen Rechtspopulisten stärker werden, sei es wichtig,
       geeint aufzutreten, um ein Gegengewicht darzustellen. „Nur gemeinsam und
       nur im Gespräch mit unseren Verbündeten können wir die Welt verändern“,
       schreibt Piel, die von 2010 bis 2013 Landesvorsitzende war.
       
       Ihre konsensuale Linie will die gebürtige Lübeckerin auch in der
       Bundespolitik fortsetzen. In der Partei regt sie eine stärkere Beteiligung
       der Mitglieder an und zudem eine stärkere Unterstützung der erfolgloseren
       Landesverbände in Ostdeutschland. Inhaltlich will Piel, dass die Grünen in
       Gerechtigkeitsthemen sichtbarer werden. „Da ist die Frage einer
       Bürgerversicherung oder nach einer vernünftigen Rente“, sagt sie. Und bei
       Themen wie der inneren Sicherheit oder der Entwicklung der Kriminalität
       müsse es statt immer neuer Verschärfungen sozialpolitische Antworten geben.
       
       Bei ihrer Kandidatur hätten sie „eine ganze Reihe von Leuten unterstützt“,
       sagt Piel. Auch ihr Fraktionskollege Helge Limburg hält sie für das Amt
       geeignet. „Sie schafft es, jeden Einzelnen ernst zu nehmen und zu Wort
       kommen zu lassen.“ In diesem Ausmaß sei das in der Politik sehr selten.
       „Davon wird die Bundespartei profitieren.“
       
       9 Jan 2018
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Gruene-wechselt-zur-CDU-in-Niedersachsen/!5438533
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andrea Scharpen
       
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