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       # taz.de -- Presse nach G20: Wenn Medien Polizei spielen
       
       > Die Polizei hat Medienschaffende aufgefordert, bei der Fahndung gegen
       > G20-Gegner*innen zu helfen. Einige machen begeistert mit. Warum?
       
   IMG Bild: „Krawall-Barbie“ auf der Seite 1 der „Bild“ von Mittwoch. Drei Beschwerden gingen dafür bisher beim Presserat ein
       
       Wenn sich die Polizei [1][per Twitter mit Jan Böhmermann streitet],
       verspricht das Unterhaltungswert – die Debatte ist eine Eskalationsstufe
       höher gesprungen. Am Dienstag, einen Tag nachdem die Hamburger Polizei eine
       Öffentlichkeitsfahndung nach 104 mutmaßlich an den G20-Protesten
       Beteiligten gestartet hatte, twitterte der ZDF-Moderator: „Hoffentlich
       täuscht der Eindruck, dass die unseriöse G20-Fahndung der Polizei Hamburg
       politisch statt strafrechtlich motiviert ist“. Die Polizei antwortete: „Da
       können wir Sie beruhigen: All diesen Personenfahndungen liegt ein
       richterlicher Beschluss zugrunde. Das Wort „unseriös“ ist daher unpassend.“
       
       Später stieg noch die Deutsche Polizei Gewerkschaft ein und versuchte, sich
       mit Zwinkersmileys und Emojis über eine angebliche G20-Verschwörung lustig
       zu machen, die Böhmermann hinter der Öffentlichkeitsfahndung wittere.
       Böhmermann antwortete mit seinem Disstrack gegen den Vorsitzenden der
       Polizeigewerkschaft „Rainer Wendt (Du bist kein echter Polizist)“.
       
       Weniger lustig ist allerdings, wie andere Medienmacher*innen auf die
       Polizeistrategie anspringen und die Videos und Fotos der Polizeifahndung
       veröffentlichten. Die Polizei hatte die Medienvertreter*innen explizit
       darum gebeten. Das ist untypisch –normalerweise, das sollte jedenfalls der
       Anspruch sein, erledigen Medien keine Dienste für Behörden oder andere
       staatliche Organe. Dass sie Fahndungsbilder drucken, kommt bei einigen zwar
       regelmäßig vor, allerdings in viel kleinerer Dimension und nicht in einem
       politisch aufgeladenen Kontext wie G20.
       
       Das Hamburger Abendblatt, die Hamburger Morgenpost und die Bild zeigten die
       [2][104 Gesuchten] zum Teil [3][großformatig] in [4][Nahaufnahme]. Die Bild
       verabschiedete sich gleich von der Unschuldsvermutung und nannte die
       Abgebildeten „Verbrecher“, „Gewalttäter“ oder „Krawall-Barbie“.
       
       ## Keiner Schuld bewusst
       
       Auf die Frage, warum sie sich dazu entschieden haben, das polizeiliche
       Anliegen zu ihrem eigenen zu machen, mochten alle drei nur ungern
       antworten.
       
       Der Chefredakteur des Abendblatts war am Mittwoch nicht für eine
       Stellungnahme zu erreichen. Der Ressortleiter „Lokales“ der Morgenpost,
       Mathis Neuburger, sagte, dass Öffentlichkeitsfahndungen immer auf der
       Internetseite der Mopo veröffentlicht würden. Da es sich auch bei der
       G20-Fahndung um eine richterlich angeordnete Fahndung handele, habe man
       keinen Anlass gesehen, dieses Mal anders zu handeln.
       
       MoPo-Leser*innen, die die Berichterstattung kritisieren, bekommen von der
       Redaktion eine Mail. In der heißt es: „Uns ist klar, dass den Medien in
       diesem Fall eine besondere Verantwortung zukommt. Wir haben deswegen im
       Gegensatz zu anderen Titeln Wert auf eine zurückhaltende Berichterstattung
       gelegt.“ Dennoch veröffentlichten sie die Bilder und Videos der Polizei,
       unverpixelt. „Es handelt sich hierbei nicht um „Menschenjagd“, sondern um
       rechtsstaatlich legitimierte Strafverfolgung. Wir halten unsere
       diesbezügliche Berichterstattung für zulässig und angemessen“, heißt es in
       der Mail weiter.
       
       Der Pressesprecher der Bild sagte, man äußere sich generell nicht zu
       redaktionellen Abläufen. Und: „Wir entscheiden im Rahmen unserer
       Redaktionellen Verantwortung, unabhängig von der Polizei.“
       
       ## Das Missverständnis
       
       Genau da liegt offenbar das Missverständnis: Die Redaktionelle
       Verantwortung müsste eigentlich zu der Entscheidung führen, sich unter
       keinen Umständen von der Polizei einspannen zu lassen. Journalist*innen
       dürfen sich nicht zu irgendwelchen Komplizenschaften hinreißen lassen. Wer
       an einer Stelle ein Bündnis eingeht, kann seine*n Partner*in an anderer
       Stelle schlecht kritisieren. Das aber ist die Aufgabe von Medien und dafür
       ist eine professionelle Distanz unabdingbar. Wenn sie sich hingegen in eine
       Kampagne einspannen lassen, wie es bei der G20-Fahndung geschieht, können
       sie sich auch gleich zum Polizeipresseorgan umdeklarieren.
       
       Der Presserat prüft zur Zeit sechs Beschwerden wegen der Berichterstattung
       über die Fahndung. Alle richten sich gegen die Bild. In drei Fällen geht es
       dabei um das Abdrucken der Fotos, in einem Fall um den Begriff
       „Krawall-Barbie“ und in zwei Fällen um beides.
       
       Schon im Sommer hatte der Presserat eine Missbilligung gegenüber Bild
       ausgesprochen. Das Boulevardblatt hatte kurz nach dem Gipfel eigenständig
       Bilder von vermeintlichen Gewalttäter*innen gedruckt und selbst dazu
       aufzurufen, Hinweise zu deren Identität an die Polizei zu geben. Es gehöre
       nicht zur Aufgabe der Presse, selbständig nach Bürgern zu fahnden, urteilte
       der Presserat.
       
       20 Dec 2017
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://twitter.com/janboehm/status/943052478257487872?ref_src=twsrc%5Etfw&ref_url=http%3A%2F%2Fmeedia.de%2F2017%2F12%2F20%2Fder-hat-doch-den-letzten-schuss-nicht-gehoert-polizei-streitet-mit-boehmermann-ueber-mediale-g-20-fahndung%2F
   DIR [2] https://www.abendblatt.de/bin/scr-212892085.pdf
   DIR [3] http://www.bild.de/regional/hamburg/g20-gipfel/das-droht-den-g20-taetern-54236268.bild.html
   DIR [4] https://www.abendblatt.de/hamburg/article212901659/G20-Fahndung-Polizei-erwaegt-Veroeffentlichung-weiterer-Fotos.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Katharina Schipkowski
       
       ## TAGS
       
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