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       # taz.de -- Kolumne Mithulogie: Das neue Normal
       
       > Die Polizei sollte Silvester in Köln für Männer mit dunkler Hautfarbe
       > verhindern. Doch dann kam alles anders. Frohes neues Jahr!
       
   IMG Bild: NRW-Innenminister Herbert Reul spinnt nicht
       
       Vor drei Tagen bekam ich eine Mail mit dem Betreff: der spinnt doch, oder? 
       
       Darin stand: „Hi Mithu, hab vorhin an dich gedacht, als ich die Nachricht
       las, dass der NRW-Innenminister Herbert Reul Frauen [1][empfohlen hat],
       Silvester nur in Gruppen auszugehen. Da kamen mir so alte Forderungen in
       den Kopf: Ausgehverbot für Männer ab 22 Uhr.“
       
       Ich schrieb zurück: „Na klar spinnt der. Aber es wird ein Ausgehverbot für
       Männer an Silvester geben – zumindest für arabisch und nordafrikanisch
       aussehende Männer™“ Denn bereits seit einer Woche war der Bahnhofsvorplatz
       in Köln mit Sperrgittern verstellt.
       
       Da es maximal eine Stunde dauert, diese aufzubauen, konnte ich mir nur eins
       vorstellen: Die Absperrungen sollten allen Feierbereiten bereits im Vorfeld
       signalisieren, dass die Polizei den Hauptbahnhof wieder bis auf zwei
       Ausgänge abriegeln würde: Die Guten ins Töpfchen, also auf die Domplatte,
       die Schlechten in den Polizeikessel.
       
       Und schlecht bedeutete letztes Jahr: Männer, die dieselbe Hautfarbe haben
       wie ich, und sonst nichts. Denn die Antwort auf die Frage, die die Medien
       hypnotisierte, „Warum kamen wieder so viele Migranten nach Köln?“, lautete:
       Um zu feiern. Das war das Ergebnis einer Arbeitsgruppe der Polizei selbst.
       
       Was war also die Reaktion der Presse, als Reul seinen „Silvester-Erlass“
       genannten Einsatzplan für diesen Jahreswechsel vorstellte, bei dem ein
       ebenso massives Polizeiaufgebot um den Dom stationiert wurde wie im Jahr
       zuvor? Bingo: Begeisterung. Die Welt ging noch einen Schritt weiter und
       fand, dass „junge Männer orientalischer Herkunft“ überhaupt nicht nach Köln
       kommen sollten: „[2][Diese Männer würden, ob gewollt oder nicht, in der
       Wahrnehmung vieler Zeitgenossen an eine Tradition der Schande anknüpfen].“
       
       Haben wir nichts aus #metoo gelernt? Harvey Weinstein ist kein
       Nordafrikaner.
       
       Doch auch wenn gestern alle Amerikaner präventiv im Polizeikessel
       festgehalten worden wären, hätte mich das nicht glücklicher gemacht. Ich
       will nicht in einer Welt leben, in der an bestimmten Tagen Menschen, weil
       sie halt aussehen wie sie aussehen, davon abgehalten werden, öffentliche
       Plätze zu betreten.
       
       Und dann kam alles anders. Nach dem Motto „quis custodiet ipsos custodes?“,
       „wer kontrolliert die Kontrolleure?“, überprüfte das Bündnis „Köln gegen
       Rechts“, dass nicht nur Männer mit etwas dunklerer Hautfarbe kontrolliert
       wurden. Ein Security-Mitarbeiter, der vorher mit Reichsflagge im Netz
       posiert hatte, wurde abgezogen. Und später vögelten alle, um die bösen
       Sexismus-cum-Rassismus-Geister zu vertreiben, zumindest nach dem Ausmaß an
       spontanen Zärtlichkeitsbekundungen auf der Domplatte zu schließen.
       
       Deshalb möchte ich mich an dieser Stelle entschuldigen: Lieber Herr Reul,
       Sie spinnen natürlich nicht. Wahrscheinlich standen Sie unter einer Menge
       Druck und versuchten nur, schreckliche Dinge zu verhindern. Glauben Sie
       mir, das will ich auch. Wie wäre es, dafür einen runden Tisch zu
       einzurichten, damit es nächstes Jahr noch toller läuft?
       
       1 Jan 2018
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.ksta.de/nrw/nrw-innenminister-herbert-reul-gibt-frauen-fuer-silvester-vaeterlichen-tipp-29409950
   DIR [2] https://www.welt.de/regionales/nrw/article171593166/Koeln-droht-eine-Tradition-der-Schande.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Mithu Sanyal
       
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