URI: 
       # taz.de -- Staatsexamen für alle
       
       > Ausländische Ärzte könnten dem Ärztemangel entgegenwirken – aber die
       > Ärztekammer will das nicht. Sie will ausländische Ärzte verpflichten, das
       > deutsche Staatsexamen zu machen
       
   IMG Bild: Ein syrischer Arzt untersucht ein Kinderohr. Während er auf seine Anerkennung wartet, arbeitet er als Praktikant im Gesundheitszentrum in Emlichheim (Niedersachsen)
       
       Von Adèle Cailleteau
       
       Die Niedersächsische Ärztekammer will, dass ausländische Mediziner das
       deutsche Staatsexamen machen müssen, um hier praktizieren zu dürfen. Die
       Präsidentin der Kammer, Martina Wenker, die auch Vizepräsidentin der
       Bundeskammer ist, hält das aktuelle Verfahren für Bewerber aus
       Nicht-EU-Ländern für „nicht ausreichend hinsichtlich der Sicherheit der
       Entscheidung und somit des Schutzes der Patienten“.
       
       Die Deutsche Stiftung Patientschutz ist auch dieser Meinung: „Patienten
       müssen darauf vertrauen können, dass jeder Mediziner den nationalen
       Behandlungsstandard erfüllt“, sagt der Vorstand der Stiftung, Eugen Brysch.
       Da es eine solche bundesweite Regelung nicht gibt, meint er: „Die
       Gesundheitsminister von Bund und Ländern spielen mit Leib und Leben der
       Kranken.“ Vorfälle, bei denen ein ausländischer Arzt durch eine falsche
       Behandlung die Gesundheit eines Patienten in Gefahr brachte, sind der
       Stiftung aber nicht bekannt.
       
       Auf die Forderung der niedersächsischen Ärztekammer reagiert die
       Gesundheitsministerin des Landes mit Ablehnung. „Aufgrund des Bedarfs an
       Ärztinnen und Ärzten in Niedersachsen ist die Integration ausländischer
       Medizinerinnen und Mediziner von großer Bedeutung“, sagt Carola Reimann.
       
       Hans Martin Wollenberg von der Ärztegewerkschaft Marburger Bund in Hannover
       sagte gegenüber der Welt: „Ohne ausländische Ärzte kommen wir im Moment
       nicht aus.“ In Niedersachsen hat jeder siebte Arzt eine ausländische
       Staatsangehörigkeit. Die meisten kommen aus Syrien, Rumänien, Russland, dem
       Iran und der Ukraine; 20 Prozent stammen aus der Europäischen Union. Für
       sie würde eine Regelung, wie sie die Ärztekammer fordert, nicht gelten, da
       sie als EU-Arbeitnehmer ihren Arbeitsplatz innerhalb der EU frei wählen
       können.
       
       Bundesweit bilden ausländische Ärzte elf Prozent der Ärzteschaft. Ihre
       Anzahl hat sich innerhalb der letzten sieben Jahre mehr als verdoppelt:
       41.658 ausländische Ärzte sind in Deutschland berufstätig. Sie sind vor
       allem in Provinz-Krankenhäusern tätig. In der Stadt Holzminden
       beispielsweise gibt es nur ein einziges Krankenhaus, viele Ärzte aus
       Osteuropa arbeiten dort. Im Borromäus-Hospital im ostfriesischen Leer sind
       derzeit viele spanischsprachige Ärzte tätig. Wären sie nicht da, gäbe es zu
       wenig Ärzte.
       
       Für die Ärztekammer Niedersachsen ist das aber kein Argument. Erst sollten
       Bund und Länder mehr Medizinstudienplätze schaffen, da genügend Menschen in
       Deutschland Ärzte werden wollten. Auch die Bremer Ärztekammer ist dieser
       Ansicht: „Wir können den Ärztemangel nicht dadurch bekämpfen, dass wir
       Leute im Ausland aggressiv anwerben und die Hürden niedrig halten, um sie
       hier in Jobs zu bringen“, sagt ihre Präsidentin, Heidrun Gitter.
       
       Derzeit ist das Verfahren, um als zugewanderter Arzt in Deutschland tätig
       werden zu dürfen, je nach Bundesland unterschiedlich. In Hamburg
       beispielsweise prüft die Gesundheitsbehörde die einzelnen Fälle, um
       festzustellen, ob die Ausbildung im Herkunftsland gleichwertig mit der
       deutschen Ausbildung ist. Die nächste Etappe ist dann eine
       Fachsprachenprüfung, um die Approbation zu bekommen.
       
       Manche können dann gleich als Arzt arbeiten, manchmal müssen sie erst eine
       Art Praktikum oder einen Kenntnistest bei einem Arzt machen. Derzeit macht
       Asia Harmoush eine freiwillige Hospitation in einem niedersächsischen
       Krankenhaus. Sie ist im Januar 2014 aus Syrien nach Deutschland gekommen,
       wo sie zwei Jahre als Ärztin im Krankenhaus arbeitete. Ihre Approbation hat
       sie noch nicht bekommen; die Hospitation macht sie, um sich mit dem
       deutschen Betrieb vertraut zu machen.
       
       Das Verfahren, um die Approbation zu bekommen, ist lang und hängt vom
       Einzelfall ab. Die Identität und die Ausbildung werden geprüft sowie die
       Echtheit der Zertifikate. Dass jeder Fall einzeln behandelt werde, sei
       notwendig, sagt der Pressesprecher der Hamburger Gesundheitsbehörde, Rico
       Schmidt.
       
       In Niedersachsen funktioniert es anders als in Hamburg. Dort ist der
       Niedersächsische Zweckverband für die Approbationserteilung verantwortlich.
       Die Einführung des Staatsexamens für ausländische Ärzte soll das Verfahren
       vereinfachen.
       
       11 Jan 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Adèle Cailleteau
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA