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       # taz.de -- die dritte meinung: Wir brauchen bessere Bedingungen in Europas Ställen, sagt Michael Kopatz
       
       Der zu Jahresbeginn veröffentlichte Ernährungsreport 2018 macht erneut
       deutlich: Mehr als 90 Prozent der Deutschen sind bereit, für artgerechte
       Tierhaltung deutlich mehr zu bezahlen. Sie wünschen sich auch bessere
       Bedingungen in der Tierhaltung. Doch die Menschen tun nicht, was sie sagen.
       In der Realität greifen nur wenige zur ethisch vertretbaren Ware. Die
       Forderung des Bundeslandwirtschaftsministers Christian Schmidt (CSU): Man
       solle ein Schulfach „Ernährung“ einführen. Andere fordern bessere
       Kennzeichnung.
       
       Mit anderen Worten heißt das: An den Zuständen in der Landwirtschaft will
       man nichts ändern, das kann nur der Bürger tun. Er soll halt „richtig“,
       also strategisch konsumieren. Dann ändert sich auch die Produktion.
       
       Das ist leider furchtbar naiv. Wer sich mit dem Thema befasst hat, weiß: Es
       hapert nicht am Wissen. Es wird wohl kaum jemanden geben, an dem die üblen
       Bilder aus Industrieställen und die Berichte über das Leid in der
       Schlachtung vorbeigegangen sind. Doch wir verdrängen die Tatsachen.
       Billigfleisch ist Routine, auch bei Topverdienern. Auf dem 800-Euro-Grill
       liegen Dumpingbratwürste – für 99 Cent im Dreierpack. Ausnahmen bestätigen
       die Regel.
       
       Dann besser umgekehrt: Wir ändern die Produktion, also die Verhältnisse in
       Europas Ställen, und die Konsumenten müssen sich gar nicht für das
       moralisch Richtige entscheiden. Das funktioniert bereits vielfach in der
       Praxis. Zum Beispiel ist die Auslauffläche für Legehühner inzwischen
       verdoppelt. Die Konsumenten haben das meist nicht bemerkt. Die Verhältnisse
       haben sich verändert, nicht das Verhalten. Mit steigenden Standards wird
       Öko zur Routine.
       
       Was hätten Politiker zu befürchten, wenn sie die Standards etwa für
       Schweinehaltung schrittweise anheben würden und dafür auf EU-Ebene werben?
       In Berlin werden wohl kaum Abertausende auf die Straße gehen und für
       billiges Fleisch demonstrieren. Nein, am 20. Januar 2018 werden dort, wie
       jedes Jahr zur Grünen Woche, mindestens 20.000 Menschen demonstrieren und
       rufen: „Wir haben es satt!“
       
       11 Jan 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Michael Kopatz
       
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