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       # taz.de -- G20-Demonstranten verklagen Hamburg: „Gegen den Abbau des Rechtsstaats“
       
       > G20-Gegner*innen haben ihre Klage gegen die Stadt Hamburg eingereicht.
       > Vier Einzelfälle sollen exemplarisch zeigen, dass Polizeieinsätze
       > verfassungswidrig gewesen sind.
       
   IMG Bild: Blockadeauflösung: Nicht zimperlich gingen Polizeibeamte am 7. Juli nahe der Binnenalster vor
       
       HAMBURG taz | Ein halbes Jahr nach dem G20-Gipfel ziehen Demonstrant*innen
       gegen Hamburg vor Gericht. Sie verklagen die Stadt wegen Einschränkung des
       Grundrechts auf Versammlungsfreiheit im Zuge der Proteste während des
       G20-Gipfels im Juli 2017. Es geht im Folgenden um vier Einzelfälle, bei
       denen Anwält*innen feststellen lassen wollen, ob Einsätze der Polizei und
       Versammlungsverbote rechtswidrig gewesen sind. Ein Teil der Klagen wurde
       bereits eingereicht, gestern
       
       Durch diese Klage wollen die Anwält*innen an die Bedeutung des Grund- und
       Menschenrechts auf Versammlungsfreiheit in der Öffentlichkeit erinnern und
       wünschen sich eine Diskussion über Gewaltstrukturen. Für den Hamburger
       Anwalt Dieter Magsam stellt sich die Frage, ob hinter den Einzelfällen „ein
       Gewaltkonzept auch von Seiten der planenden Polizei steckt“.
       
       Im Raum stehe also nicht nur eine juristische Frage, sondern es betreffe
       grundsätzlich die Demokratie und die Zivilgesellschaft. „Wenn man
       unkommentiert und unwidersprochen lässt, was hier passiert ist, dann trägt
       man zum Abbau des Rechtsstaates bei“, sagt Magsam. „Wir wollen eine
       demokratische Kontrolle der Polizei.“
       
       Ein weiteres Ziel dieser Klage ist es, an die Öffentlichkeit zu gehen.
       Durch die einseitige Ermittlung der Polizei gegen Demonstrierende und die
       mediale Darstellung der Fahndung entstehe ein falscher Eindruck der
       Proteste, so Elke Steven vom Komitee für Grundrechte und Demokratie. Das
       Narrativ der gewaltsamen Ausschreitungen gegen den G20-Gipfel solle aber
       den systematischen Angriff auf das Versammlungsrecht nicht verschleiern.
       
       Die vier folgenden Fälle halten die Demonstrant*innen und Anwält*innen für
       exemplarisch:
       
       ## Camp Entenwerder
       
       Das Hamburgische Oberverwaltungsgericht hatte explizit die Übernachtung
       beim G20-Protestcamp Entenwerder erlaubt. Am 5. Juli teilte das Gericht
       mit, dass zu den bisher genehmigten Veranstaltungszelten bis zu 300
       Schlafzelte für jeweils zwei bis drei Menschen aufgestellt werden dürfen.
       Trotzdem schritt die Polizei gegen das „Antikapitalistische Protestcamp“
       ein und verhinderte es so. Der Anwalt Martin Klingner spricht von einem
       „Verstoß gegen die Gewaltenteilung“ und einem „Putsch der Exe-kutive gegen
       die Judikative“. Ein Ziel der Klage ist, dass die polizeilichen Einsätze
       rechtswidrig erklärt werden.
       
       ## Camp Altona
       
       Das Camp in Altona habe ebenso durch Schikanen der Polizei nicht
       stattfinden können wie geplant. Laut der Anwältin Ulrike Donat habe hier
       die Sicherheitsbehörde die Herrschaft über verfassungsrechtlich garantierte
       Grundfreiheiten übernommen. Schon im Vorfeld habe die Behörde das Camp
       verhindern wollen. Einer der Anmelder des Camps schildert am Donnerstag bei
       der Pressekonferenz im Gängeviertel seine Erlebnisse vor Ort im Juli. Als
       Mitglied eines Vereins, der sich bundesweit an der Organisation der
       Proteste gegen den Gipfel beteiligt, habe er viel Erfahrung. So etwas wie
       in Hamburg habe er noch nie erlebt: „Wir fühlten uns von der Behörde
       verarscht.“ Die Kläger*innen sind der Ansicht, Camps müssten geschaffen
       werden, um den Portest zu ermöglichen.
       
       ## Polizeieinsatz 7.7.2017
       
       Am Freitagvormittag des Gipfels nahmen Demonstrierende an einer Blockade
       teil, um die Protokollstrecke von US-Präsident Donald Trump zu blockieren.
       Der Zug wurde von der Polizei getrennt und die Demonstrierenden
       angegriffen, ohne Vorwarnung. Ein Video zeigt, wie Polizeibeamte mit
       Schlagstöcken hinter Demonstrierenden in Sommerkleidung herrennen. Ein
       weiteres Video zeigt die blutende Platzwunde am Kopf einer Attac-Aktivistin
       aus Köln, die auch als Klägerin auftritt.Ihr Anwalt Dieter Magsam spricht
       im diesem Fall von „Anwendung nackter Gewalt gegen friedliche Menschen“
       seitens der Polizei und will, dass die Stadt Hamburg die
       Verfassungswidrigkeit des Einsatzes anerkennt.
       
       ## Versammlungsverbote 7.7.2017
       
       Beim vierten Fall geht es um drei Veranstaltungen, die die
       Nichtregierungsorganisation Attac in der großen Demonstrationsverbotszone
       angemeldet hat. Jeweils für 80, 50 und 50 Teilnehmer*innen. Sie fielen aber
       alle drei unter das allgemein ausgesprochene Versammlungsverbot und durften
       nicht innerhalb der sogenannten „Blauen Zone“ stattfinden. Für die Anwältin
       Waltraut Verleih aus Frankfurt gibt es hier mehrere Verstöße gegen
       Grundrechte wie Versammlungs-, Meinungs-, Kunst- und Handlungsfreiheit.
       Ziel der Klage ist auch, die polizeiliche Gefahrenprognose zu prüfen.
       
       12 Jan 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Adèle Cailleteau
       
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