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       # taz.de -- Kommentar Medizinversuche an Kindern: Psychiatrien sind noch immer Tatorte
       
       > Die Frage, wie Entmenschlichungen in Psychiatrien, Heimen und
       > geschlossenen Einrichtungen verhindert werden können, bleibt aktuell.
       
   IMG Bild: Fixierungen sind in der Psychiatrie immer noch an der Tagesordnung
       
       Umfassende Aufklärung und Diskussionen sollten die mindeste Konsequenz aus
       den [1][nun aufgedeckten illegalen „medizinischen“ Versuchen] an Kindern in
       Niedersachsen sein. Denn die Misshandlungen sind kein Einzelfall, sondern
       Symptome eines falschen Systems.
       
       Bereits bekannt waren illegale Medikamententests in einer Kinderpsychiatrie
       in Wunstorf in den 1970er-Jahren. Nun kamen weitere Menschenversuche ans
       Licht: Ohne Indikation wurde den Kindern Hirnwasser aus dem Rückenmark
       entnommen und Luft eingeführt. Ein furchtbarer Eingriff, der zu tagelangen
       Schmerzen führte. Das Sozialministerium wartet nun auf die Ergebnisse eines
       „medizinhistorischen“ Berichts.
       
       Der böte die Chance, Profiteure zu identifizieren und zur Verantwortung zu
       ziehen. Ungenehmigte Menschenversuche waren für Ärzte auch damals schon
       strafbar, sind juristisch aber wohl verjährt. Umso mehr muss es nun um
       Entschädigungen für die Opfer gehen – durch das Land Niedersachsen als
       damaligen Träger, durch womöglich beteiligte Pharmafirmen oder Institute.
       
       Der Skandal ist zudem mitnichten „nur“ historisch. Denn die Psychiatrie als
       Tatort ist kein Zufall. Die Frage bleibt relevant, wie Entmenschlichungen
       in Psychiatrien, Heimen und geschlossenen Einrichtungen verhindert werden
       können.
       
       Denn: Sie passieren bis heute. Die Zeitungen sind voller aktueller
       Beispiele des „bürgerlichen Todes“ des Individuums, wie ihn der Soziologe
       Ervin Goffmann 1961 für „totale Institutionen“ beschreibt: Misshandlungen
       in den Haasenburg-Kinderheimen etwa oder in den Heimen der Firma Friesenhof
       in Schleswig-Hostein.
       
       Oder in Bremen, wo 2013 eine Psychiatriereform beschlossen wurde, zuletzt
       aber herauskam, dass in der Psychiatrie in Bremen-Ost die Fixierungen und
       Zwangsbehandlungen zugenommen haben – neben anderen Skandalen.
       
       All das zeigt: Die Diskussion um Reformen oder sogar die Abschaffung von
       Anstalten, in deren intransparenten und autoritären Strukturen immer die
       Entrechtung der Kinder, Patienten und Insassen droht, ist notwendig.
       
       16 Jan 2018
       
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