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       # taz.de -- Die Wahrheit: „Denken Sie an Quax und Quex“
       
       > Das Wahrheit-Interview: Ein Gespräch mit dem Querdenker Kurt Scheel über
       > den Buchstaben Q im Nationalsozialismus.
       
   IMG Bild: Quax, der Bruchpilot: Nazimitflieger Rühmann in einer seiner berühmtesten Rollen
       
       taz: Herr Scheel, Sie arbeiten an einer Studie über die Rolle des
       Buchstaben Q im Nationalsozialismus. Was hat es damit auf sich? 
       
       Kurt Scheel: Nun, denken Sie einmal an die Spielfilme „Quax, der
       Bruchpilot“ oder „Hitlerjunge Quex“. Oder an den Schauspieler Will
       Quadflieg, der 1938 erstmals auf der Leinwand zu sehen war. Und Sie wissen
       ja wohl, was Quislinge sind: So bezeichnet man seit 1940 faschistische
       Kollaborateure, in Anlehnung an den Namen des norwegischen Politikers
       Vidkun Quisling, der sich den Nazis andiente.
       
       Ist das alles? 
       
       Beileibe nicht! Zu nennen wären beispielsweise auch der Großindustrielle
       Günther Quandt, der mit den Nazis glänzende Geschäfte machte, der Verlag
       Quelle & Meyer, in dem 1933 das Werk „Deutsche Geschichte als
       Rassenschicksal“ erschien, der im Reichsjustizministerium tätige
       Ministerialdirektor Leo Quassowski, der Regierungsrat Otto Quenzer und
       last, but not least der einschlägig vorbelastete Oberlandesgerichtsrat Karl
       Quint.
       
       In Robert Wistrichs klassischem Personenlexikon „Wer war wer im Dritten
       Reich?“ ist allerdings niemand verzeichnet, der in diese von Ihnen
       dargelegte Reihe passt. 
       
       Das ist es ja, was ich beklage: Diese Leute sind alle entwischt oder mit
       einem blauen Auge davongekommen. Raten Sie mal, wo Traudl Junge, die
       Sekretärin von Adolf Hitler, nach dem Krieg beruflich Unterschlupf gefunden
       hat?
       
       Im Versandhaus Quelle? 
       
       Nein. In der Chefredaktion der Illustrierten Quick. Ja, jetzt schauen Sie!
       Aber apropos Quelle – Rudolf Schickedanz, der Gründer dieses Versandhauses,
       ist schon 1932 in die NSDAP eingetreten. Da kann ich nur sagen: Nachtigall,
       ick hör dir quorren!
       
       Wie bitte? 
       
       Das Quorren ist ein Vogellaut, der eigentlich der Schnepfe zugeschrieben
       wird. So steht es jedenfalls im Neuen Brockhaus von 1937 in Band 3 auf
       Seite 638. Merkwürdigerweise finden dort auch die außerordentlich seltenen
       Verben „quaddern“, „quöchen“, „quosen“ und „quutschen“ Erwähnung.
       
       Worin sehen Sie die Ursache für die Affinität der Nationalsozialisten zum
       Q? 
       
       Ich möchte hier nicht die Ergebnisse meiner Untersuchung vorwegnehmen.
       Außerdem ist das Thema zu vielschichtig für gefällige Faustformeln. Mein
       Augenmerk reicht von den Quintsextakkorden im Werk des tiefbraunen
       Komponisten Hans Pfitzner bis zur Verbreitung einer wildwachsenden
       Blütenpflanze namens Quirlblättriger Weißwurz im sogenannten
       Reichsprotektorat Böhmen und Mähren. Das lässt sich nicht so leicht auf
       einen Nenner bringen, wie es unsere heutige Ex-und-hopp-Gesellschaft gern
       hätte.
       
       Gibt es bereits abgeschlossene Kapitel? 
       
       O ja. Ich habe mich intensiv mit der faszinierenden Vita der
       NS-Bürgermeister von Quedlinburg, Quakenbrück und Quickborn befasst.
       
       Und was ist mit denen von Quiddelbach, Queis und Quetzdölsdorf? 
       
       Gemach! Zur Zeit gehe ich der Frage nach, wie viele Quader Granit Albert
       Speer in der „Welthauptstadt Germania“ verbauen wollte.
       
       Kommen Sie da nicht vom Hundertsten ins Tausendste? 
       
       Das lassen Sie mal meine Sorge sein.
       
       Wie lang soll Ihr Werk denn werden? 
       
       Quien sabe? Ich habe alle Zeit der Welt.
       
       Das heißt, Sie haben noch keinen Verlagsvertrag? 
       
       Meine Agenten stehen in Verhandlungen mit mehreren großen deutschen und
       auch mit internationalen Verlagshäusern. Doch es wäre verfrüht, zu diesem
       Zeitpunkt an die Publikation zu denken. Kennen Sie die Queich?
       
       Nein. 
       
       Ein Nebenfluss des Oberrheins. Gerüchten zufolge wurden darin im Mai 1945
       zahlreiche Trophäen aus dem Besitz des Reichsjägermeisters Hermann Göring
       versenkt. Im kommenden Sommer werde ich dort ausgiebig zelten und
       schnorcheln und mich parallel dazu schon mal auf mein nächstes
       Forschungsprojekt einstimmen: Die Nachkriegszeit und das N.
       
       Das N? 
       
       Na, denken Sie doch mal nach – der Aufstieg der Söhne Nippons, Nordkorea,
       Nitribitt, Nabokov, Nikita Chruschtschow, Nixon, New Cinema, Nashville,
       Nivea, Nutella, Neue Frankfurter Schule, Norbert Nigbur, Nappa, Nina Hagen
       … äh … Nintendo … Nena … Geht Ihnen da nicht ein Seifensieder auf?
       
       Das bleibt noch abzuwarten. Vielen Dank, Herr Scheel! Halten Sie durch!
       
       16 Jan 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Gerhard Henschel
       
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